Mittwoch, 3. September 2008

Ich hätte mich selbst nie eingestellt.

Wenn man sich entschließt, den Weg zum guten Texter und Kreativen zu gehen, sollte man im mentalen Bereich ein robustes Schuhwerk haben: es wird sehr steinig.

Vielleicht hilft es dem einen oder anderen, wenn ich meinen eigenen Weg in diesen Job mal skizziere.

Ich wollte im Jahr 1987 – nach meinem Studium an der Fachhochschule für Druck (heute Hochschule der Medien) – Texter werden, weil ich während der 4 Jahre Studium (Werbewirtschaft und Werbetechnik) bei einem einzigen Studienfach nicht ans Fußballspielen, an meine Freundin oder an die Schwere meiner Augenlider gedacht habe: Werbetext.

Schreiben hat mir schon immer Spaß gemacht, nur wusste ich nicht, wofür man meine Schreibe gebrauchen konnte. Nach diesem Fach wusste ich es. Da es damals so etwas wie einen Copytest (Agenturen stellen Aufgaben – findest du bei manchen Agenturen auf der Website) noch nicht gab, bewarb ich mich sehr blauäugig bei Stuttgarter Werbeagenturen.

Und zwar mit dem, von dem ich dachte, dass es ein Texter gut können sollte: mit einem einzigen Brief.

Natürlich fragten alle Agenturen sofort nach meiner Mappe.

Ich war aber der Meinung, dass einer, der als Werbetexter erst anfangen will, ja noch gar keine Mappe haben kann. Sonst wäre er ja kein Anfänger.

Und so gelangte ich eben über das Gefängnis auf Los – über den Job des Kontaktassistenten. In einer Agentur, in der die Kontakter auch texten durften. Ich begann als Junior Kontakter bei Die Crew in Stuttgart. Recht schnell habe ich da nebenher auch die Texte für meine Kunden geschrieben. Meistens mittags, abends oder am Wochenende (das zum Thema steinig). Doch so konnte ich meine Job-Umwandlung zum Texter in dieser Agentur (dafür an dieser Stelle noch mal ein kurzes danke, lieber Gerhard Mutter) forcieren.

Da es das Internet noch nicht gab, fehlte mir natürlich die heutige Transparenz des Agenturmarktes, dennoch merkte ich schnell (z.B. in den Werbeblöcken im Fernsehen), dass es bessere Werbung gab als die, die ich so tagtäglich entworfen habe. Die meiste davon kam damals von Springer & Jacoby (wie sich die Zeiten ändern).

Besser meint für mich unterhaltsamer, ungewöhnlicher, mutiger, spannender, intelligenter. Einfach kreativer.

Bis ich mich dann aber aufgerafft hatte, endlich in eine Kreativagentur zu wechseln, vergingen gleich mal 4 Jahre. Im Rückblick muss ich sagen, dass es großes Glück war, bei Springer & Jacoby mit meiner mäßigen Mappe eingestellt zu werden (Kersten Sachse, damals Creative Director der 3. Unit, hat Gnade walten lassen. Auch dir hier mal ein danke dafür, Kersten).

Als ich später Geschäftsführer Kreation bei Jung von Matt war, und in Hochzeiten teilweise täglich Interviews mit Bewerbern führte, mir also wohl tausende ambitionierter Mappen durchgesehen habe, gelangte ich zu der ernüchternden Erkenntnis, dass ich mich selbst als jungen Texter bei Jung von Matt nie eingestellt hätte.

Was sagt das einem Neuanfänger?

Erstens solltest Du nie aufgeben, wenn du gute Werbung machen willst. Jedes neue Briefing ist eine neue Chance, eine nie dagewesene Idee zu entwickeln.

Und zweitens sollte man sich so schnell wie möglich zu den Besten begeben.

Wenn Du schon im Job bist und das, was Du täglich in deiner Agentur entwickelst, zu 95% peinlich findest, dann wechsle die Agentur. Peinliche Werbung produziert jeder mal, aber es sollte maximal 10% sein. Je länger man in einer MWI-Agentur arbeitet (machen wir ihnen), desto schneller geht das Gehalt in die Höhe. Weil die froh sind, dass jemand den Mist produziert, mit dem sie Geld verdienen.

Die Kehrseite: je schlechter die Mappe und je höher das Gehalt, desto mieser die Ausgangsposition, um bei einer Kreativagentur noch anzukommen.

Um junge Leute oder Juniortexter jetzt mal etwas zu motivieren, möchte ich heute eine meiner ersten Anzeigen veröffentlichen, die ich getextet habe. Dass es sich zufälligerweise um ein Produkt handelt, dass Blindnieten heisst, passt zum damaligen Niveau des Texters.

Tipp 3: Wenn du ein guter Texter werden willst, fange nicht bei Agenturen an, deren Werbung dich nervt.




Meine erste Anzeige aus dem Jahr 1987 für
Gesipa Blindniettechnik. Jetzt motivierter?

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Herr Zschaler.

Schön, dass Sie sich nicht nur trauen zu zeigen, dass auch Sie einmal klein angefangen haben. Sondern bereit sind, es wieder – und wohl derzeit als Einziger aus Ihrer Riege – zu tun und bloggen. Aus der Anonymen Anemome von JR wird wohl nichts mehr werden, und Herr Jahn hat seine Gehversuche auch vor langer Zeit eingestellt (das "leider" spare ich mir). Ich bin gespannt, wie sich Ihr Blog entwickelt und freue mich auf hoffentlich spannende Diskussionen. Ob's was hilft auf der Jagd nach den raren Talenten – keine Ahnung. Aber ich wünsche Ihnen viel Erfolg.

Anonym hat gesagt…

Danke für die Blumen, lieber Unbekannter. Auch wenn Anemonen dabei sind. Dieser Blog hat nicht das Ziel, Talente zu jagen, im Idealfall fesselt er sie nur. Zuallererst schreibe ich den Blog für mich selbst. Und wenn der ein oder andere Orientierungslose Orientierung erhält oder der ein oder andere Nachwuchskreative etwas Neues mitnehmen kann, dann wäre ich schon zufrieden.

Anonym hat gesagt…

Aargh, ich bin im Moment bei Blindnieten & Partner. Ich muss hier raus. Ich arbeite daran.

Zschaler hat gesagt…

Just do it.