Samstag, 20. September 2008

Wer wird Text-Praktikant? Und wie?

Nehmen wir an, du spielst in einer Rockband, schreibst gerne Songtexte, stellst aber fest, dass du von einem Plattenvertrag ziemlich weit weg bist.

Oder du hast nach dem Abitur ein Studium begonnen, weil Papa und Mama das so wollen (häufig sind Soziologie, BWL, Germanistik, Jura, Philosophie), aber nach ein paar Semestern merkst du, dass das nicht dein Ding ist.

Oder du stehst nach einer Banklehre hinter einem Counter, füllst die Überweisungen für Kunden aus, schreibst nebenher aber für ein Stadtmagazin und findest, dass Buchstaben mehr Spaß machen als Zahlen.

Oder du machst gerade eine Ausbildung zum Designer an einer privaten Kunstschule, spürst aber während den Hausarbeiten, dass dir das Konzeptionelle mehr liegt als das Visuelle.

Oder du machst ein Volontariat bei einem lokalen Käseblatt und hast keine Lust mehr, über den neuen Aufzug des örtlichen Altenheimes zu berichten.

Zu jedem dieser Beispiele kenne ich einen real existierenden Lebenslauf von Werbetextern. Das letzte Beispiel bin ich selbst.

Und es gibt noch hundert andere Beispiele.

Text-Praktikanten sind in der Regel zwischen 22 und 32 Jahren.

Die eher 22jährigen sind meistens sehr blauäugig und noch etwas weltfremd, was bei Ideen helfen – aber auch im Weg stehen – kann.

Die eher 32jährigen haben schon einige Lebenserfahrungen und Enttäuschungen hinter sich, was im Weg stehen – aber bei Ideen oft eher helfen – kann.

Texter wird man dann, wenn man Spaß am Wort und an Kommunikation hat. Und es verdammt noch mal einfach werden will.

In diesem Fall hat man zwei Möglichkeiten.

Erstens, man kontaktiert diverse Ausbildungsinstitutionen. Im Rahmen dieser Ausbildungen ergeben sich häufig auch Praktikas.

Zweitens, man wählt den direkten Weg. Man erstellt eine Mappe (siehe meine Beiträge dieser Woche) und bewirbt sich bei Werbeagenturen.

Eine praktische Übersicht guter Agenturen findest du hier.

Dann heißt es: bewerben.

Am besten ist, du schreibst kurz und knackig, warum du in die Werbung willst (bitte nicht den üblichen Käse, den viele schreiben, nämlich dass ihnen Werbung viel Spaß macht, sie glauben, dass sie Talent dazu haben und die Agentur ganz toll finden).

Schreib einfach die Wahrheit. Und zeige, dass du mit Worten umzugehen verstehst.

Dazu packst du einen Lebenslauf. Und drei bis fünf deiner besten Ideen. Hebe dir noch ein paar Ideen auf, damit das persönliche Gespräch nicht so langweilig für den Interviewer wird.

Heute werden Bewerbungen gerne digital versand. Also per e-mail und eine Power Point als (interaktives) pdf.

Ich persönlich finde es angenehmer, wenn man die Bewerbung in schriftlicher Form auf den Tisch bekommt und ich mir die Arbeiten richtig angucken kann.

Aber mit dieser Meinung bin ich ziemlich alleine, denn die Personalverantwortlichen lieben die digitale Post, weil sie diese besser archivieren können.

Es liegt also an dir.

Wer persönlich schreibt, der bleibt. e-mails schmeisse ich gerne schnell weg. Außerdem fällt man mit einem analogen Brief fast schon wieder aus der Reihe.

Die Namen der Personalverantwortlichen in den Agenturen bekommst du ganz leicht über solche Business-Swinger-Clubs wie Xing heraus.

Wenn du das Power-Point-Format für die Präsentation deiner Arbeiten und deines Lebenslaufes wählst, dann übergestalte es nicht. Und baue auch nicht zu viele technische Gimmicks ein.

Keep it simple.

Die Ideen sollen wirken. Möglichst eine Idee pro Seite. Da du ja sowieso noch nicht so eine große Auswahl haben wirst, mach es schön plakativ.

Es gibt unter Himmel oder Hölle eine Website für Bewerber. Hier bekommst du einige nützliche Tipps von Kreativen.

Schick deine Bewerbung nicht an alle Agenturen auf einmal, sondern erst mal an die Adressen, die dich brennend interessieren. Und warte das Feedback ab. Daraus kann man lernen und seine Unterlagen verfeinern.

Sollte sich eine Agenturen nach 2 Wochen gar nicht gemeldet haben, ist das normal. Nach 3 Wochen ist das unhöflich. Nach 4 Wochen kannst du den Job vergessen (vermutlich auch die Agentur selbst).

Viel Glück beim Mappen bauen.

Wir suchen übrigens auch Text-Praktikanten.

Tipp 15: Nicht die Bewerbung muss kreativ sein, sondern deine Arbeitsbeispiele.





Bewerbungsschreiben Version 1: Schreib keinen Schleim.




Bewerbungsschreiben Version 2: Schreib die Wahrheit.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Gute Nacht lieber New-Blogger,

bin beim Stöbern durch die unendlichen Weiten des WWW auf diese Seite gestoßen.

Sehr informativ und sympathisch geschrieben.

Da nehme ich mir einiges mit.

Für mich ist es auch das erste Mal, dass ich einen Kommentar hinterlasse.

Viele Grüße aus Frankfurt
Chris

P.S.: Also nicht alle Banker stehen hinterm Schalter und füllen Überweisungen aus ... ;-)
Aber Buchstaben machen mir in der Tat mehr Spaß als Zahlen.

Zschaler hat gesagt…

Schön, wenn du hier was rausziehen kannst.

Und es noch dazu kein Geld ist.

Ich hoffe, ich kann das Niveau halten.

van Raett hat gesagt…

Eine Frage und auch eine Antwort:

Was ist mit demjenigen, der bereits erkannt hat, dass Rockstar werden zwar echt die coolste Lebenbsvariante wäre, um graubärtig seinen Enkelkindern später sex, drugs and rock n roll zu buchstabieren, dann aber erkannte: hey, meine Freude am Schreiben begreife ich fortan als Chance, Werbung interessiert mich, jetzt sollte ich mich bewerben. Er sortiert sich und beginnt, neben dem Web auch Bücher über Werbung zu lesen. Keine Ratgeber. Wochen später wollen seine aufgestellten Armhaare einfach nicht mehr als spontane Gänsehaut mehr durchgehen. Jetzt wird es echt ernst. Er pfeifft auf seinen Job im Theater und zieht nun auch geografische Konsequenzen. Promt wohnt er in HH. Und warum? Weil er seiner Intuition folgte. Einen vagen Gefühl, dass er seinen Eltern nur schwer als echte Möglichkeit offenbaren konnte. Nun geht es los: der erste Copytest. Seine Freude an der Arbeit hält sich in Grenzen. Auf der Suche nach abartigen Ideen beginnt er an den Nägeln zu kauen. Zwei Wochen später ist das vorläufige Lebenswerk eingetütet und abgeschickt. Im Nachhinein erkennt er die Strapazen als rohste Form von Freude bei der Arbeit an und ist einfach glücklich mit sich und seiner Intuition. Die Wartezeit überbrückt er mit Sightseeing. Seine Götteragentur lässt ihn nicht lange warten: die Absage kommt mit einem blutigen Grinsen. Die Antwort muss härter sein als der Schlag, der King Arthurs Kiefer brechen ließ (immerhin boxte Herr Abraham den Kampf zu Ende, während ich mich hinsetzen musste). Nicht die Ideen seien scheiße, sondern die Vorstellungen und Anforderungen, die ich vom Beruf des Werbetexters hätte.
Ein glänzender K.O., leider vor der ersten Runde. Ich wollte ihnen gleich einen Antwortbrief schreiben: stellen sie sich vor, sie seien verliebt. Ihr Schwarm jedoch ist eine Meerjungfrau und wohnt auf Koralle 12344blau. Sie haben keine Chance Sie zu sehen und kennenzulernen. Sie können nur mutmaßen und das verdammt gut. Ihre Phantasiewelt war schon immer sehr üppig, aber nun reizt einfach alles an Eindrücken diesen Kosmos an. Sie beginnen langsam damit, mit ihrem Schwarm nachts zu sprechen. Sie erzählen ihm von weißen Stränden und von Milch aus Kokosnüssen. Er sagt garnichts, was sie nicht bemerken. Er entwickelt sich zum absoluten Ideal an Schwarm. Unantastbar und rein. Jetzt erzählen sie mir nicht, sie wären enttäuscht, wenn er doch nicht im Sitzen pinkelt.

Leider saß der Schock zu tief, um mit Humor und einer kleinen Geschichte zu antworten. Was nun?

van Raett hat gesagt…

Sorry, mit "was nun?" erkläre ich nicht einmal am Haaransatz was mich so wütend macht. Ich arbeite gerade an einen weiteren Copytest. Entbrannter und explosiver denn je. Deshalb bin ich über die als Provokation und herabschauenden Zynismus empfundene Absage mittlerweile sehr, sehr dankbar.
Noch dankbarer jedoch über diesen Blog, der auf einzigartige Weise die Distanz zwischen Haarwurzel und Spliss wegkämmen kann. Danke!

Zschaler hat gesagt…

Ok, hört sich nach den ersten üblichen Frusterlebnissen an, wenn man mit Agenturen zum ersten Mal in Kontakt kommt.

Liegt zum einen daran, dass einige immer noch auf einem ziemlich hohen Ross (trojanisc hes Pferd?) sitzen.

Und zum anderen, dass dein Copytest vielleicht noch nicht so gut war, dass er sie überzeugt hat.

Eines der größten Learnings für junge Einsteiger ist, mit Kritik umgehen zu können. Selbst wenn sie ungehobelt und unsensibel sind.

Kreation ist immer ein Stück von einem selbst und da ist man schnell persönlich getroffen, wenn andere grob drüber donnern.

Aber Zeit ist knapp, und deshalb agieren da manche Agentur-Gesprächspartner ziemlich rüde. Da nehme ich mich nicht aus.

Vorschlag zur Güte: Schick mir deine bisher besten 5 Ideen und ich schreibe dir, woran es vielleicht liegen könnte.

van Raett hat gesagt…

Ganz ehrlich? WOW! Mit dieser Antwort hätte ich nicht gerechnet. Ich nehme das Angebot mit großer Dankbarkeit an.

Danke. Marcus

Anonym hat gesagt…

Schöner Beitrag, aber für mehr Seriösität würde ich aufmerksamer auf Fehler achten. Bei "Praktikas" rollen sich mir die Zehennägel hoch. Bei solch einem Fehler würde ich die Bewerbung schon sofort weglegen.

Zschaler hat gesagt…

@anon11:12: Ob ein Rechtschreibfehler etwas mit mangelnder Seriosität (bitte beachte auch bei diesem Wort deine Rechtschreibung) zu tun hat, kann man trefflich streiten. Die Seriosität in der Sache ist mir wichtiger. Aber natürlich hast du recht: Mehrzahl von Praktikum ist Praktika. Was ich inzwischen viel irritierender an meinem Beitrag finde, ist die Vergänglichkeit der Links. Der Beitrag wurde vor rund 4,5 Jahren geschrieben. Und die Hälfte der Links führt ins Nirvana der Bedeutungslosigkeit. Hier muss ich dringend neue Verlinkungen suchen. Der Beitrag ist es wert. Er ist von allen Beiträgen dieses Blogs der am zweithäufigsten gelesene Text.