Samstag, 1. November 2008

Das Phänomen "gibt es schon".

Es ist ein ewig altes Diskussionsthema, das ein bejahrter Werbehase schon lange nicht mehr hören kann, aber das ambitionierte Kreative immer wieder beschäftigt:

das Plagiat.

Durch die Fake-Anzeigen-Diskussion hat dieser von der Presse gern in den Mittelpunkt gerückte Kampf und die goldene Zitrone zwar an Interesse eingebüßt, aber ist mindestens genauso brisant wie die Einmal-Weltmeister.

Ich habe es lange verdrängt, bin aber durch einen Kommentar von einem der eifrigsten Leser dieses Blogs, einem gewissen Anonym (danke trotzdem), zu dem Honda-Spot „The Cog“ im letzten Beitrag auf das Thema aufmerksam gemacht worden.

Durch den Druck, etwas Originäres schaffen zu müssen, gehen viele Kreative mit ihren Augen, Ohren und Gedanken in die weite Welt hinaus und lassen sich inspirieren von Kunst, Fernsehen, Theater, Musik, Literatur usw.

Und natürlich auch von den vielen anderen ausgezeichneten Kampagnen, die man sich heute leicht durch Lürzer’s Archiv oder Creativity auf den Computer holen kann.

Nachfolgend zwei imposante Beispiele, an denen man vorzüglich diskutieren kann, wo die Inspiration aufhört und der Ideenklau anfängt.



Das Original/1.

Der Lauf der Dinge. Ein rund 30minutiges Video der Künstler Peter Fischli und David Weiss aus dem Jahr 1987, ausgestellt auf der Dokumenta 8. (Teil 2 und 3 auf YouTube, Stichwörter: Fischli, Weiss, Lauf der Dinge).




Die Kopie/1.

Der Honda-Spot „The Cog“ von Wieden + Kennedy aus dem Jahr 2007. Mehrfach prämiert.





Das Original/2.

Das Buch „Kunst aufräumen“ von Ursus Wehrli aus dem Jahr 2002.




Die Kopie/2.

Die Bisley-Kampane „Perfectly organized“ von Kolle Rebbe aus dem Jahr 2005. Mehrfach prämiert.


In beiden Fällen dürfte klar sein, das die Künstler die Idee gehabt haben, nicht die Kreativen.

Dennoch muss man den Werbern zugestehen, dass es ihnen sowohl handwerklich als auch inhaltlich perfekt gelungen ist, mit der Idee eine Botschaft zu transportieren.

Sie haben es geschafft, die Dramaturgie der Kunst in einen Kontext zu einer Markenbotschaft zu stellen.

Meine Hochachtung für die Honda-Arbeit ist allerdings etwas größer als für Bisley, denn beim Bürocontainerbauer handelt es sich um eine reine Goldkampagne. Heißt, die Idee hat sich den Kunden gesucht – was keine so große Kunst ist als bei Honda.

Doch das nur am Rande.

Die Frage, die sich viele Kreativschaffende stellen, lautet: Darf man so was?

Vom Gesetz her darf man das ab einer gewissen Deckungsgleichheit nicht mehr (es sei denn, man bezahlt den Urheber dafür). Siehe Copyright.

Dieses Recht wird in der Werbung nur extrem gedehnt und weit interpretiert.

Für mich ist der Unterschied zwischen „originär“ und „kopiert“ immer eine Frage des Kontextes.

Inwieweit wird eine Idee so weiterentwickelt, verändert, bewegt oder verfremdet, dass sie eine neuartige und nicht dagewesene Interpretation mit ihrem Umfeld ergibt.

Wer das Copyright sehr eng sieht, der müsste ja schon damit ein Problem haben, dass eine Marke ihr Produkt zeigt und eine Headline darüber schreibt.

Dieser Werbe-Mechanismus wird täglich hundertfach kopiert. Aber keinen regt es auf.

Es gibt Werbeschaffende, die sich um so etwas gar nicht kümmern und erfolgreiche Mechanismen bis zum Erbrechen nachmachen, Hauptsache die Wirkung stimmt. Und der Kunde ist glücklich.

Das kann man machen, wenn einem die eigene Kreativehre nicht die Bohne interessiert.

Aber unser einer hat schon einen gewissen Stolz und den Ehrgeiz, etwas ganz Neues zu kreieren.

Das ist gut so. Das ist wichtig. Das ist der Motor für Innovationen.

Meine Erfahrung mit fundmental Neuartigem ist, dass es etwas fundamental Neuartiges so gut wie nie gibt. Alle Ideen haben ihren Ursprung in anderen oder ähnlichen Ideen.

Das zeigt schon das Phänomen, das einem wirklich immer wieder begegnet, wenn man eine Idee entwickelt oder von seinen Mitarbeitern präsentiert bekommt, die man wirklich ungewöhnlich und genial findet.

Man optimiert sie, feilt an ihr rum und trägt sie zum Kunden. Doch plötzlich taucht irgendeiner auf und zeigt einem eine Anzeige oder einen Spot, der Ähnlichkeiten mit der Idee hat.

Wie oft habe ich Lürzer’s Archiv schon verflucht.

Lass dir gesagt sein, diese Erscheinung ist ganz normal und gehört zum Ideenfindungs-Prozess wie der Eiter zum Pickel. Es liegt immer an dir zu entscheiden, ob die Idee nur ähnlich ist.

Oder identisch.

Identisch kann man dann akzeptieren, wenn man sich aus branchenfremden Bereichen (z.B. der Kunst) eine Anleihe holt. Man muss allerdings klären, wie man mit den Rechten des Urhebers verfährt.

Da gab es bei Bisley ziemlich Stress, nachdem die Kampagne bei mehreren Wettbewerben abegräumt hat. So etwas bleibt auch Künstlern nicht verborgen. Und der wollte dann zu seinem Recht kommen.

Auf jeden Fall sollten sich junge Kreative bei der Ideenpräsentation vor dem Senior oder CD an die folgenden drei Worte möglichst schnell gewöhnen, um sich dadurch nicht aus der Fassung bringen zu lassen:

Gibt es schon.

Tipp 43: Lass dich von kreativen Quellen wie Lürzer’s und Creativity inspirieren, aber schau nicht zu lange rein.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hi Stefan,

Erstmal Popscherl küssen: ich finde deinen Blog super und für einen Werber sehr reflektierend.
Nur wer soll auf diesen Aufmerksam werden, wenn er nicht gerade ein Nerd ist und immer wieder mal die Agenturseiten stalkt?!

Anyway. Die Frage die mich bei deiner motivierten Suche am meisten beschäftigt (und die Frage ist sehr ernst gemeint):

Wenn mir als junger Kreativer Awards bis zu 500€ mehr Gehalt bringen, warum sollte ich zu einer Agentur gehen, die weder die Kundenstruktur für wirklich herausragende Arbeiten hat, noch Scam-Ad´s produziert?

Zschaler hat gesagt…

Freut mich, dass dir der Blog gefällt.

Wie man darauf aufmerksam wird? Keine Ahnung, sag du es mir, wie wird man auf einen Blog aufmerksam?

Ich hoffe, man wird durch das ein oder andere Suchwort aufmerksam. Und vor allem durch Empfehlung. Oder der Blog taugt eben nix.

Ich bin ja noch in der Testphase dieser digitalen Erscheinung.

Was nun deine ernst gemeinte Frage angeht: die kann ich dir gar nicht beantworten. Das hängt einzig und allein von deinen Erwartungen und Ansprüchen ab.

Schöne Grüße nach Österreich (Popscherl finde ich übrigens ein großartiges Wort).

Anonym hat gesagt…

Hey Stefan,

Machst du es dir nicht etwas leicht mit deiner Antwort?!

Der Anspruch:
herausragende Werbung im realen Tagesgeschäft zu machen - also ins Eisen beissen und Gold daraus machen.
Die Realität: geizige/feige/untalentierte/ Kunden/Berater/CD´s die nicht annähernd daran denken, ihr Unternehmen oder den Etat auf´s Spiel zu setzen, nur um eventuell Werbegeschichte zu schreiben. It´s schließlich the economy stupid!
Das Resultat: eine mittelmässige Mappe.
Das (beste) Resultat einer mittelmässigen Mappe: Ein überbezahltes Bürostuhlakrobatendasein in einer Pharmaunit einer Düsseldorfer Networkagentur und ein Hang zu teurem Koks und billigen Nutten. Bei allem Respekt gegenüber individuellen Lebenskonzepten - in meiner Wahrnehmung ein verpfuschtes Leben.
Und warum: ganz einfach weil ich 2008, als junger Kreativer, nicht bei einer Agentur war die scamt und ich auf das dicke Briefing samt dazugehörigen Kunden/Berater und CD´s gehofft habe, die bereit sind mal die Extrameile samt Risiken zu gehen.

Ich merk schon, ich schweife ab.

Was ich eigentlich sagen will: ich finde Scam-Ad´s in ihrer Berechtigung auch sehr fragwürdig, aber eines fällt mir immer wieder auf - es gibt nur zwei Sorten von Werbern, die sich immer wieder dagegen (das aber auch nie ganz konkret) aussprechen:

1.) (junge) Kreative die (noch) keine Preise haben bzw. in Agenturen sitzen, in denen ihnen awardverdächtige Kreation nicht ermöglicht wird

2.) gestandene Kreative (so wie du), die sie einfach nicht mehr nötig haben...

2.1) ...und obendrein zu einer Zeit in Unternehmen gewachsen sind, als die Awardschlacht noch nicht ganz so ausufernd war und ein duchschnittlicher Miami Ad School Student seinen ersten Juniorjob nicht schon mal mit mehr Löwen beginnt, als die meisten Jung von Matt CD´s im Laufe ihrer Karriere in den Händen gehalten haben.

Wie ich auf diesen Blog gekommen bin, verrate ich dir gern. Vor Crispin, Porter + Bogusky gab es in meiner Wahrnehmung nur vier wirklich relevante Namen in der Werbung: Wieden, Kennedy, Leagas und Delaney.
Ich habe deinen Blog auch schon weiterempfohlen, aber ob meine Empfehlung in der Agentur auf hörende Ohren gestossen ist, wage ich zu bezweifeln... denn soviele Preise hab ich noch nicht ;)


Ösiwortempfehlung Nr. 54:

"Heckenklescher "

Eine aus Österreich stammende Bezeichnung für einen minderwertigen und sauren Wein. Wurde früher vor allem für den steirischen Schilcher aber auch für den Uhudler aus dem Südburgenland verwandt. Es gibt zwei ethymologische Deutungen für das Wort. Die unwahrscheinlichere von beiden besagt, dass jemand, der nach einem Umtrunk mit einigen Gläsern dieses Weines schon gehörig einen Sitzen hatte, beim Hinausgehen an die frische Luft in die "Hecken klescht" (haut, schlägt, kracht, klatscht). Die wahrscheinlichere Version ist eine völlig andere. Kleschn ist zunächst mal eine alter Ausdruck für einen sauren Wein oder Apfelmost. Da viele der hybriden Rebsorten traditionell meist auf Hecken an der warmen hölzernen Hauswand gezogen wurden, nannte man die daraus gekelterten Hausdrunkweine Heckenklescher.

Anonym hat gesagt…

P.S.: Mir ist eingefallen, wie man auf diesen Blog Zielgruppengerecht aufmerksam machen könnte. Es gibt von der Texterschmiede ein Kursbüchlein in dem die meisten Agenturen und einige Funkstudios mehr oder witzige Eigenanzeigen schalten. Da muss es doch eine lustige Idee geben, wie man auf diesen Blog verweisen kann...

Zschaler hat gesagt…

Puh! Das ist harter Tobak, den du mir da rüberschiebst.

Klingt etwas nach einer verko(r)ksten Texterkarriere.

Dabei wirken deine Kommentare gut geschrieben, am Texttalent mag es nicht liegen.

Aber der Reihe nach.

So, wie sich das anhört, hast du irgendwann den Absprung nicht geschafft und bist in einer Networkagentur hängen geblieben, die dich mit einem ganz üppigen monatlichen Schmerzensgeld betäubt zu haben scheint.

Da bist du – als kleiner Trost – zumindest mal nicht allein.

Wenn man es nicht rechtzeitig schafft, sich in das Umfeld einer Agentur zu begeben, der das kreative Produkt mindestens genauso wichtig ist wie das Geld verdienen, dann ist man in die Werber-Wohlstandsfalle getappt.

Gutes Geld, scheiss Mappe.

Wenn du das materielle Niveau nicht mehr verlassen kannst (wegen Familie, Eigentumswohnung oder von mir aus Drogenkonsum), ist der Zug abgefahren.

Pech gehabt. Tut mir leid.

Solltest du dagegen deine kreative Ambition entdecken und es noch mal wissen wollen, musst du gewillt sein, finanziell abzuspecken und es bei einer kreativeren Adresse versuchen.

Just try it (ich weiss, leichter gesagt als getan).

Was die Scam-Ads angeht, so teile ich deine Einschätzung der Ablehner. Ich hatte wirklich das Glück, noch in einer Zeit als Texter und CD wirken zu können, wo das, was man entwickelt hat, auch ernsthaft geschaltet und dann beim ADC eingereicht wurde.

Dennoch fördere ich meine Kreativen in dem Ehrgeiz, auf bestehenden Briefings Goldideen auszudenken. Hätten wir nur das Tagesgeschäft als Meßlatte, sähe es momentan duster aus.

Gewiss, die "normale" Arbeit soll ein hohes Niveau haben, und wir versuchen es immer wieder, aber zu Medaillen reicht es in den meisten Fällen nicht.

Dein Wohlwollen gegenüber LD ehrt uns. Tim wird sich freuen.

Heckenklescher ist auch nicht schlecht.

Und auf die Idee, im Studentenverzeichnis der Texterschmiede eine Anzeige zu schalten, sind wir auch schon gekommen. Siehe neueste Ausgabe.

Freue mich auf meinen nächsten Germknödel.

Pfiad di (?) – soll auf Wiederlesen heissen.