Mittwoch, 5. November 2008

Der Anfängerfehler beim Plakat.

Barack Obama ist heute zum Präsidenten von Amerika gewählt worden. Herzlichen Glückwunsch. Ich freue mich für ihn. Auch, weil die bessere Kampagne gewählt wurde.

Bei so großer Politik, bei dieser Menge an hochtrabenden Worten, bei so viel Pathos, Heroik, Philosophie – was durchaus auch durch meine letzten drei Beiträge waberte – steht mir heute der Sinn nach was ganz Profanem.

Was Klares. Was Reduziertes.

Zum Beispiel: Wie macht man ein gutes Plakat?

Antwort: Nicht mehr als acht Worte.

Woher diese Regel kommt und wie ausgerechnet die Zahl acht ermittelt wurde, kann ich nicht sagen. Einer meiner früheren Vorturner hat mir mal gesagt, dass ein Plakat nicht mehr als diese Anzahl an Worten haben darf.

Warum nicht sieben? Warum nicht neun?

Wir wollen hier keine Korinthen kacken, jedem mäßig gebildeten Menschen dürfte klar sein, warum man auf ein Plakat nicht so viel Text schreiben sollte.

Plakat ist das Medium mit der geringsten Verweildauer des Betrachters. Zwangsläufig. Man fährt häufig mit dem Auto vorbei. Oder mit dem Bus. Oder mit dem Fahrrad. Man ist, im Gegensatz zur Zeitung, auf alles andere vorbereitet als auf Werbung.

Also müssen Plakate dem unaufmerksamen Betrachter schnell ein paar Sekunden rauben und die Botschaft unterjubeln. Acht Worte ist also eine durchaus einleuchtende Benchmark.

Eine plakative Regel sozusagen.

Bei einem Blow up (das sind diese Megaposter in Bahnhöfen oder an Gebäuden) und bei City Light Plakat (das sind die beleuchteten Dinger an den Bushaltestellen) ist das ähnlich.

Doch halt! Stehen die Leute nicht im Bahnhof und an den Bushaltestellen? Warten sie nicht? Ist ihnen da nicht langweilig? Müssten sie nicht mehr Zeit haben als nur die paar Sekunden, um maximal 8 Worte erfassen zu können?

Eine interessante These, die wir aber nicht weiter verfolgen wollen, denn zum einen ist auf den CLPs noch weniger Platz als auf den Plakaten. Und zum anderen, so würden Kunden jetzt argumentieren, fahren an den CLPs auch ganz viele Menschen mit dem Zug oder Auto vorbei.

Die will man schließlich auch erreichen.

Im Grunde ist die 8-Worte-Regel Schwachsinn, denn bei einem Plakat kommt es auf seine Plakativität an und es kann sein, dass zehn Worte einer starken Aussage (die plakativ gestaltet ist) besser kommunizieren als 6 Worte, die einfach nichts sagend wirken.

Einigen wir uns darauf, dass ein Plakat schnell zu erfassen sein muss.

Fahre nun mit diesem Bewusstsein durch die Straßen und schau dir Plakate an. Was fällt dir da – so langsam – auf:

2/3 von dem, was da hängt, sind Anzeigen.

Voll mit Texten. Meistens kleinteilig gestaltet. Ganz nach dem gängigen Prinzip don’t read me.

Woran liegt das?

Da ist die Disziplinlosigkeit seiner Macher (Kreative wie Kunden) zu nennen. Ist die Idee gekauft, das Layout auch, schleicht sich kurz vor Druck dann doch noch ein kleiner Satz beim Packshot, eine URL beim Logo und ein Aktions-Störer sowie die unverbindliche Preisempfehlung hinzu.

So schon wird aus einem Plakat ein Blablakat.

Doch der weit häufigere Fehler ist eigentlich ein gestalterischer Anfängerfehler.

Ich habe ihn selbst schon oft erlebt. Und – was noch schlimmer ist – sehenden Auges mit verantwortet.

Obwohl ich mit dem absolut geschärften Wissen, dass es um ein Plakat geht, den Job in Angriff genommen habe und obwohl ich möglichst reduziert und wohl dosiert mit Inhalten und Bildern umgegangen bin, stand ich am Ende immer wieder enttäuscht vor meinen unplakativen Plakaten irgendwo innerhalb der Stadtgrenzen Hamburgs.

Irgendwie stimmten die Proportionen nicht 100%. Irgendwie war die Schrift doch zu klein.

Wenigstens ihr könnt von diesen Frustrationen jetzt profitieren. Vorausgesetzt, ihr legt den proportional verkleinerten Schalter im Kopf um.

Der Grund liegt nämlich in der falschen Betrachtungsweise. Erst werden am Computer die Plakate proportional verkleinert gelayoutet, dann proportional verkleinert ausdruckt und dann proportional verkleinert betrachtet.

Als DIN A3 direkt vor der Nase.

Man betrachtet seine Plakate wie Anzeigen.

Kein Wunder also, dass die gedruckten Plakate später auch wie Anzeigen aussehen.

Was auch das Phänomen erklärt, warum Plakate im Lürzer's Archiv oft viel besser wirken als in der Realität (genau, weil sie proportional verkleinert sind).

Komprimiert erträgt sich alles besser. Ist auch auf dem Computer so. Aber das ist eben auch nicht 1a Qualität.

So schwer es fällt, aber je nach Motiv kann es durchaus hilfreich sein, das Plakatlayout in Teilen einigermaßen naturgroß vor sich auf den Boden hinzulegen. Um zu sehen, ob es plakativ genug ist.

Plakate wie Anzeigen betrachten. Vielleicht einer der häufigsten Anfängerfehler in der Branche.

Ergo:

Tipp 46: Betrachte dein Plakatlayout nicht wie eine Anzeige.




Das schönste Plakatformat haben die Engländer.

Wer einmal vom Flughafen Heathrow nach London City mit dem Taxi reingefahren ist, der kann sich sicher an die Kreuzung kurz nach diesem Arche Noah Bürogebäude erinnern (keine Ahnung, wie der Platz heisst), an der mindestens 10 dieser langgestreckten Billboards hängen.


Ganz abgesehen davon, dass die 8-Worte-Regel hier eisern eingehalten wurde: Sale bei Harvey Nichols Knightsbridge.

So einfach kann ein starkes Plakat sein.

Keine Kommentare: