Mittwoch, 3. Dezember 2008

Microsites – die neuen Testlabors für Werbung.

Was große Marken auf ihrer offiziellen Website niemals zeigen würden, das zeigen Sie auf einer Microsite.

Die Microsite wird zum neuen Experimentierfeld für die Marken-Kommunikation der Zukunft.

Entweder als Unterseite der Website. Meistens aber als eigener, unabhängiger kleiner Kommunikations-Mikrokosmos im Internet

Schräg sein, unkonventionell sein, provokant sein.

Das alles lässt sich unter einer das-meinen-wir-nicht-so-ernst.de-Seite oder unter einer mal-sehen-wie-sich-die-kampagne-entwickelt.com-Seite bestens verpacken.

Wenn man so will, werden die Microsites zum viralen Unterhaltungskanal der Marke.

Dort darf man mal eine Zote ablassen, dort darf man mal furzen, dort darf man sich mal etwas daneben benehmen – alles unter dem Deckmantel, dass man nur so die neuen Zielgruppen erreicht.

Zwei Beispiele aus Amerika zeigen das sehr deutlich.

Das erste Beispiel ist von der ziemlich spießigen Kaufhauskette JC Penny (vergleichbar mit Karstadt oder Kaufhof).

Hier ein Screenshot von der offiziellen Website.





Und hier ein Screenshot von www.bewareofthedoghouse.com, einer Microsite von JC Penny.





Auf dieser Website finden alle Männer, die bei ihrer Frau wegen eines unpassenden Geschenkes zum Geburtstag oder zu Weihnachten in Ungande gefallen sind (Achtung Doppeldeutigkeit: doghouse = Hundehütte, to be in the doghouse = in Ungnade fallen) eine Anleitung, wie sie aus diesem Dilemma wieder heraus kommen.

Genauer gesagt, wie sie in die Juwelierabteilung von JC Penny finden (hüstel, hüstel).

Der virale Spot dazu:



Die Aktion ist wirklich sehr originell und unterhaltsam, passt aber überhaupt nicht zum restlichen Auftritt der Marke.

Da könnte man mir jetzt entgegen halten, dass ich ein Markenspießer bin. Dass ich mich nicht so anstellen soll. Dass ich das wieder einmal viel zu akademisch sehe.

Mag sein.

Man könnte sich aber auch ernsthaft fragen, ob man mit so einer Aktion tatsächlich jüngere Kunden in die superspießigen Juwelierabteilungen der Kaufhäuser bekommt? Geschweige denn, ob die Marke bei dieser Zielgruppe plötzlich akzeptiert wird?

Zumindest mal glauben die Marketingspezialisten von JC Penny (zusammen mit den Kreativen von Saatchi + Saatchi New York) daran. Sonst hätten sie nicht so ein dickes Geld für diese Aktion ausgegeben. Der Film und die Website sind ganz und gar kein low budget.

Das zweite Beispiel ist von Nokia (und wurde erdacht von Wieden + Kennedy). Auch hier ist es sehr augenfällig, wie sich die Webauftritte unterscheiden.

Nokia ofiziell:





Nokia viral:





Die Idee der Aktion ist, dass man ein Spam oder ein ätzendes Dokument von seinem Computer auf die Seite www.the-unloader.com hochlädt, um es dann von einer skurrilen Maschine vernichten zu lassen.

Von der Vernichtung bekommt man einen Spot/Link, den man wieder an den Absender des ätzenden Dokumentes zurück senden kann.

Der obligatorische Viralspot dazu sieht so aus:




Ich persönlich finde beide Aktionen sehr unterhaltsam und ungewöhnlich. Um nicht zu sagen: award-verdächtig.

Das Prinzip, sich mit einer Microsite den jüngeren Zielgruppen anzunähern oder die geschmackliche Belastbarkeit seiner Zielgruppe auszutesten, scheint ein sehr smarter Weg zu sein. Weshalb er immer häufiger begangen wird.

Es ist doch fast schon so, dass eine große Marke, die was auf sich hält, heutzutage eine Microsite hat.

Ich befürchte nur, dass man als Marke sehr schnell an den Punkt kommen wird, wo man sich die Frage stellt: Zahlt der (positive) Quatsch wirklich auf das Konto meiner Marke ein? Will ich meine Marke so wahrgenommen wissen?

Oder bin ich einfach nur ein bisschen lustig und zeige den Menschen da draussen an ihren Computern, dass ich von Unterhaltung und von den neuen Medien etwas verstehe?

Hinzu kommt, dass sich beide Marken ja nicht sofort zu erkennen geben, sondern man erst nach einigem hin- und herklicken erfährt, wer dahinter steckt. Die Marke versteckt sich quasi erst einmal hinter dem Gag.

Wie lange kommt diese versteckte Werbung bei den Usern noch an?

Und: Wird die Microsite-mutige Marke so nicht zum kommunikativen Arschkriecher?

Hallo, ihr jungen Leute da draußen, die ihr meine Marke nicht so interessant findet, guckt mal her, ich kann doch auch ganz witzig sein!

Ehrlich gesagt, ich habe die endgültige Antwort darauf noch nicht gefunden.

Aber eines weiß ich gewiss.

Die alte Maxime, das alles, was unglaubwürdig wirkt, einer Marke nichts bringt, ist mehr denn je in Mode.

Tipp 66: Nicht jede schräge Microsite ist auch eine gute Markenbildungsseite.

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