Freitag, 29. Mai 2009

Das Wort zu Pfingsten.

Kommt heute von Robbie Williams und fasst die Aufgabe von uns Kreativen perfekt zusammen.

Auf die Frage, wie man es schafft, immer wieder neue Songs zu schreiben, hat er geantwortet, dass das eigentlich ganz einfach ist, weil es nur zwei Arten von Popsongs gibt:

Entweder Du singst: Baby, komm zu mir, ich liebe dich.

Oder du singst: Baby, komm zurück zu mir, ich liebe dich.

Genau so verhält es sich mit der Werbung.

Entweder deine Botschaft lautet: Verbraucher, komm zu mir, ich bin der Beste.

Oder sie lautet: Verbraucher, komm zurück zu mir, ich bin noch besser geworden.

(Ok, es gibt in diesen Zeiten vielleicht noch die Promotion-Variante: Verbraucher, komm zurück zu mir, ich gebe dir Discount).

Dazu passt der folgende Spot zwar überhaupt nicht. Aber er ist zumindest auch mit einem wahnsinnigen Ex-Rocker. 

Und der nimmt sich selbst darin ganz nett auf die Schippe.

TVC „Ozzy Osbourne“ für das Mobile Phone Samsung Propel. Von Leo Burnett, Chicago (wem es gefällt, es gibt zwei weitere Spots für Samsung mit dem Altrocker).

Donnerstag, 28. Mai 2009

Die kreative Blendkraft großer Namen.

Es gibt ein Phänomen in Jurys, dass sich mehr und mehr auch in den vielen Online-Archiven bemerkbar macht.

Der Beurteilungsbonus bei großen Namen.

Seien es die Namen award-verwöhnter Kreativagenturen (CP+B, W+K, Mother) oder seien es die Namen großer Marken, die für kreative Werbung stehen.

Kaum gibt es eine neue Arbeit, wird sie sogleich für gut befunden, nur weil die oben genannten, vermeintlichen Gütesiegel in den Credits stehen.

Auf Twitter poppte bei mir vorgestern folgende Nachricht einer dieser Online-Werbebanken entgegen: Go for a fantastic commercial by adidas. Dazu der Link. (Sie schreiben aber gerne auch so was wie: Shocked by the new breathtaking ad for XY).

Das hat mich natürlich neugierig gemacht und ich habe mir den Spot angesehen:

TVC „Spark“ für den neuen adidas Fußballschuh F50i von der Agentur 180, Amsterdam. Mit Zinedine Zidane und Lionel Messi.

Sicher, das ist ein Spot, der aus der Masse heraus sticht und natürlich allein durch die Starkombi Aufmerksamkeit erzeugt.

Doch aus meiner Sicht war es das auch schon.

Der Spot ist zu lang, zu konstruiert und nicht besonders überraschend. Ich finde ihn auffällig, aber nicht fantastisch. Schon gar nicht „breathtaking“.

Dennoch schwärmt die halbe Werbewelt davon und auf YouTube hat er natürlich volle Sternzahl.

Dieses Phänomen ist typisch für Jurys. Sobald eine Arbeit von Nike, Adidas oder sonst einem Kreativ-Etat auftaucht, ist die Beachtung und der Goodwill weitaus höher als bei unbekannten Namen.

Ich finde dieses Phänomen nicht dramatisch, denn die Agenturen und Marken haben sich diesen Ruf irgendwie auch hart erarbeitet.

Aber man sollte wissen, dass es existiert und nicht immer sofort die Lemminge-Haltung annehmen.


Mittwoch, 27. Mai 2009

I'm not Dave.

Nach meinem kleinen Schwächeanfall gestern (Symptom: Themenausfall) danke ich erst einmal für den allgemeinen Zuspruch. Genau das ist es, was Menschen brauchen, die Motivationsrobleme haben. 

Ihr, die Leser, habt das perfekt diagnostiziert und die richtige Medizin in den Kommentaren angewandt.

Ich möchte deshalb nur kurz auf einen anonymen Kommentator eingehen, der anregte, dass ich doch „etwas weniger Scamp und etwas mehr Dave“ verfolgen sollte.

Kurze Erläuterung für all diejenigen, die bei diesem Zitat auf der Leitung stehen: Scamp meint einen ziemlich bissigen englischen Blog über Werbung, verfasst von einem CD bei BBH (hier). Da wird teilwiese richtig abgelästert. Das Ding wurde meines Wissens auch schon mal kurz vom Netz genommen.

Dave dagegen meint den Blog des Werbeveteranen Dave Trott (hier), der fast jeden Beitrag mit den Worten a few years ago, a couple of years back, over the years, when I was, after school, etc. beginnt und seine Erfahrungen der letzten 30 Jahre zelebriert.

Eine etwas altväterliche Märchenonkelsprache („once upon a time“) und etwas altklug daher kommend. Aber meistens vertritt Dave Trott sehr gute Prinzipien und beschreibt sie auch intelligent. Ich finde nur, es wiederholt sich irgendwann.

Ich möchte betonen, dass ich beide Blogs gelegentlich überfliege und genieße – aber keiner von beiden sein will.

Ich will ich sein.

Mein Blog soll heute eher ein Spiegelbild der Seele eines Creative Directors sein, der zu den Themen schreibt, die ihn gerade beschäftigen – im Gegensatz zu den Anfängen, als ich meine "Erfahrungsberichte" zum besten gegeben habe (September 2008 bis Dezember 2008).

Der Blog gibt natürlich auch weiterhin Erfahrungen oder Tipps preis, wenn ich denke, es tut not. Der Blog erfreut sich an guter Arbeit, erzürnt sich an schlechter Arbeit und bietet ein persönliches digitales Forum für Kreative (damit ich ganz egoistisch weiterhin Erfahrung im Umgang mit ebensolchen digitalen Medien sammeln kann).

Der Blog hier gibt euch einen kleinen Einblick, wie der Kreativchef einer Agentur denkt (was nicht heisst, das alle so denken, eher im Gegenteil) und er gibt euch die Chance, jegliche Hemmschwellen zu vergessen und mit diesem Typen in (gerne auch anonymen) Dialog zu treten.

Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Hier geht es nicht um Werbung für unsere Agentur, sondern um Werbung als Leidenschaft.

Stay tuned.

P.S. Wer einen Blog mit einer richtigen Idee sucht, oder überhaupt gerade eine Idee sucht, der sollte sich den neuen Blog von zwei ehemaligen Agenturkreativen ansehen: steal our ideas.

Dienstag, 26. Mai 2009

Blogmüdigkeit: darauf gefurzt.

Ich habe eine Themenkrise. Zur Zeit fällt es mir schwer, interessante Beiträge für meinen Blog zu schreiben.

Woran liegt's?

Sicher daran, dass durch die „Krise“ (ich kann das Wort nicht mehr hören) weniger in der Szene los ist und sich alle etwas bedeckt halten. Da wird kein Stoff geliefert. Nicht mal auf Amir kann man sich mehr verlassen.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich im Blog sehr viele Themen schon abgefidelt habe und natürlich jetzt davon abhängig bin, über neueste Entwicklungen zu sprechen. Da gibt es momentan aber keine (oder habe ich eine übersehen?).

Es kann aber auch sein, dass sich eine gewisse Blogroutine eingestellt hat (beim Schreiber wie beim Leser) und es einfach nicht mehr so interessant ist, den Beiträgen zu folgen.

Die Besuchszahlen lassen etwas nach, was aber an dem Wonnemonat und den vielen Brückentagen liegen kann. Und an dem bezaubernden Wetter.

Twittern ist inzwischen auch schon eine gewisse Routine für mich (wer mich "followen" will: texteregsucht). Ich kann nicht behaupten, dass ich "twittern" sensationell aufregend finde. Für mich ist es die Verlagerung infantiler sms-Texte ins Web, wobei man natürlich gegenüber dem Handy den Vorteil hat, Bilder und Verlinkungen hinzu zu fügen – und das Texten auf 140 Anschläge reduziert ist.

Twitter ist zumindest eine spannende neue Entwicklung im Netz. Man kann den Hype nur (versuchen zu) begreifen, wenn man da regelmäßig mitmacht.

Ich frage mich trotzdem, wie ein ganz normales Individuum heutzutage seinen Alltag in 24 Stunden noch geregelt kriegen soll, wenn man – neben Telefon, email, sms, Facebook (verweigere ich), Xing (verweigere ich auch), Linkedin (wurde ich zu genötigt), StudiVZ/SchülerVZ (überlasse ich meinen Kindern) – jetzt auch noch über Twitter mit anderen kommuniziert.

Der totale Vernetzungs-Wahn.

Aber gut.

Ich wollte ja in die Werbung/Kommunikation.

Ich befürchte, dass ich da einfach durch muss und so werde ich eben in den nächsten Wochen etwas häufiger das ein oder andere „vorbildhafte“ oder auch „abschreckende“ Beispiel kommentieren, das sich anzusehen oder nicht anzusehen lohnt, wenn mir kein subsantielleres Thema über den Weg läuft (wenn ihr ein Thema habt, das ihr von mir behandelt wissen wollt, bitte posten).

Heute ist das Beispiel ein neuer Spot des Regisseurs Noam Murro (der hat auch unseren Timberland-Spot „Delirium“ gedreht) für eine amerikanische Hotelkette.

Der Spot zeigt furzende Menschen. Aber sehr salonfähig.

Nett gemacht, nett anzusehen.

Unser neuer CD Willy Kaussen meinte, der Spot gewinnt was in Cannes.

Ich halte dagegen (ein Kasten Bier, Willy).



TVC „So relaxed“ für Extended Stay Hotels. Agentur: Toy, New York (ganz nette Website). Regisseur: Noam Murro.

Freitag, 22. Mai 2009

Hard Selling hat Konjunktur.

Durch die angespannte Wirtschaftslage haben bereits zu Beginn des Jahres viele Unternehmen in Deutschland ihre Kampagnen umgestellt.

Selbst in den kreativen Hochburgen wie USA oder England scheint diese Entwicklung nicht spurlos an den werblichen "Vorzeige-Etats" vorüber zu gehen. Die neuen Spots für Volkswagen in Amerika sind aus meiner bescheidenen Sicht nicht von der Qualität der früheren Spots.

Zwar immer noch anders als der normale Hard Selling Kram, aber so richtig locken sie mich nicht hinterm Ofen hervor.

Bildet euch selbst ein Urteil: Meet the Volkswagens.



Meet the Volkswagens. Die neue Kampagne von VW America von CP+B. Hat die Krise auch die kreativen Überflieger in den Griff bekommen?

Mittwoch, 20. Mai 2009

Piccadilly Ambient.

Seit ich in Barcelona wie ein unschuldiger Verbraucher auf die tiefgefrorenen Hühner aufmerksam wurde, habe ich meinen Faible für Ambient wieder entdeckt.

Wie gesagt, wir hatten in unserer Agenturhistorie schon viele starke Ambient-Ideen, doch der Produktionsaufwand ist oft ähnlich dem eines schmal kalkulierten TV-Spots – und dann schrecken viele Kunden doch davor zurück.

Der Aufwand für die folgende Aktion dürfte sich absolut in einem überschaubaren Rahmen gehalten haben und das sollte uns alle ermutigen.

Diese Aktion beweist wieder und wieder und wieder einmal, dass es nicht auf das Budget ankommt. Sondern: auf die Idee.

McDonald’s hat an einem der meist fotografierten Plätze der Welt, dem Piccadilly Circus, eine der typischen LED-Tafeln so gestaltet, dass die Touristen beim Fotografieren mit der Tafel und der Perspektive spielen können.

Schaut euch das Video an, es macht Laune.



Eine interaktive LED-Anzeigentafel am Piccadilly Circus lässt Passanten beim Fotografieren neue Persektiven finden. Gesponsert von McDonald’s. Entwickelt von Leo Burnett London.

Montag, 18. Mai 2009

Art against knives.

Heute möchte ich auf ein ermutigendes Projekt aufmerksam machen, dass unsere Kollegen von Leagas Delaney London mit ihren Ideen unterstützt haben.

Es hat leider einen traurigen Hintergrund. Aber wie so oft im Leben, aus tragischen Momenten entsteht manchmal auch etwas Gutes.

Der 20-jährige Oliver John Hemsley, Design-Student des bekannten Central St. Martin's College in London, wurde im August 2008 von einem 15-jährigen Jugendlichen in East London – grundlos und ohne Auseinandersetzung – mit einem Messer niedergestochen.

Leider hat diese Attacke wichtige Nervenbahnen und Teile des Rückenmarks so schwer verletzt, dass Oliver John Hemsley für immer querschnittsgelähmt sein wird.

Um die Familie des Opfers zu unterstützen, hat das College eine einzigartige Ausstellung auf die Beine gestellt: art against knives.

Sehr viele bekannte Künstler, Designer und Fotografen haben extra für diese Ausstellung Werke angefertigt oder bestehende Werke zur Verfügung gestellt.

Leagas Delaney hat, zusammen mit Holst Digital, die Website und ein Plakat/eine Anzeige zur Ausstellung entwickelt.

Eine Aktion, die hoffentlich ein klein wenig Licht in das Drama dieses Menschen bringt.

Eine gute Aktion, wie ich finde.

Eine Aktion, die man als Kreativer gerne unterstützt.

Ohne Goldideen-Hintergedanke.




Van Gogh mit Ohr. Plakat/Anzeige von Leagas Delaney London für eine beeindruckende Aktion um das Opfer einer folgenschweren Messerattacke. Siehe auch www.artagainstknives.com.

Sonntag, 17. Mai 2009

Gott sei Dank, Werbung funktioniert doch noch.

Barcelona ist eine meiner Lieblingsstädte. Schöne Altstadt, schöne Architektur, schöne Geschichte, schöne Einkaufsmöglichkeiten, schöne Menschen, schöne Tapas, schöner Rotwein, schönes Wetter, schönes Meer – und nicht zuletzt: schöner Fußball (der FCB ist ja gestern Meister geworden, weil Real gepatzt hat).

Einfach ein lässiges Lebensgefühl (am Hupkonzert hatten wir noch die ganze Nacht unsere Freude).

Da es bei jedem Werber auch ein Leben neben der Werbung geben sollte, habe ich mich mit meiner Frau für vier Tage in die katalonische Metropole begeben.

So herrlich weit weg von irgendwelchen Goldidee-Diskussionen.

Diskussionen, die einen manchmal fragen lassen, ob man als abgewrackter Werber die Werbung überhaupt noch neutral sehen kann?

Ob man in der Lage ist, noch objektiv bestimmen zu können, wie Werbung auf all diejenigen wirkt, die damit nichts zu tun haben?

Auf rund 99 % der Bevölkerung.

So wirkt sie:

Als ich mit meiner Frau gestern durch das Viertel Barri Gotic schlenderte, kamen wir natürlich auch zu einer der zahlreichen monumentalen Kathedralen in Barcelona, ich glaube der Kathedrale von Barcelona überhaupt, gelegen an einem großen Platz (Plaza de la Seu).

Am Rande der Plaza erregte eine kleine Menschenmenge meine Aufmerksamkeit und so richtete ich meinen Blick natürlich dort hin. Etwas verwundert nahm ich zwei überdimensionale, tiefgefrorene Hühnchen wahr. So wie man sie aus der Supermarkttruhe kennt.

Natürlich ging ich näher hin und siehe da, es war – wie wir Profis sagen würden – eine Ambient-Werbeaktion.



Ambient-Aktion zur Europawahl neben der Kathedrale von Barcelona (click photo to enlarge).

Ich bin der spanischen Sprache leider nicht mächtig, zudem spricht man in Barcelona ja auch Catalan, was ich nun gar nicht verstehe.

Aber die Aktion habe ich trotzdem kapiert. Es geht um die Europawahl und die Frage, wie viel Verbraucher-Aufklärung auf so einem Tiefkühlhühnchen kleben sollte.

Ob man sich jetzt für das Thema brennend interessiert oder nicht, sei mal dahin gestellt, aber ich habe mich irgendwie diebisch gefreut zu sehen, dass diese kleine Aktion so viel Aufmerksamkeit erzeugt hat.

Und es hat mich mal wieder total motiviert in meiner Arbeit, denn mit den richtigen Ideen kann man selbst in unserem komplett reizüberfluteten Zeitalter immer noch Leute auf sein Anliegen aufmerksam machen und Wahrnehmung verändern.

Ist das nicht genau die Nachricht, die wir Kreativen ab und zu brauchen?

Ist es nicht die viel größere Bestätigung zu sehen, dass das, was ich mir ausgedacht hab, auch Interesse erzeugt und Menschen für einen kurzen Zeitraum beschäftigt – als so ein Cannes Löwe?

Ob es nun Zufall war, dass ich genau diese göttliche Erkenntnis an einer Kathedrale machen durfte, möchte ich nicht weiter vertiefen. Zumal ich aus der Kirche ausgetreten bin.



Hier noch der Beweis, dass es kein Fake war und die Touristen ihre Fotos gemacht haben (ich eingeschlossen).

Freitag, 15. Mai 2009

Chinesische Sprichwörter.

Es gibt immer wieder Situationen im Leben, in denen ein gutes Zitat hilft. (Zum Beispiel in einem Präsentationsbüchlein).

Oder eben ein chinesisches Sprichwort.

Neulich hatte ich eine stressige Situation mit meiner Tochter (18), in der sie ziemlich uneinsichtig war. Ich beschloss – bevor mein belehrendes Gelaber wieder einmal wirkungslos an ihr abprallte– diesmal ein chinesisches Sprichwort per sms an sie zu schicken.

Da ich unterwegs war und gerade kein chinesisches Sprichwort zur Hand hatte (wer kann sich schon chinesische Sprichwörter merken), habe ich mir kurzerhand eines ausgedacht.

Und siehe da, es entstand ein ganz anderer Dialog als sonst.

Das Erfinden von Sprichwörtern geht relativ einfach, wenn man sich mal eine Liste durchgesehen hat.

Test: Ich liste hier mal drei chinesische Sprichwörter auf. Zwei davon habe ich eben erfunden. Ihr könnt nun raten, welches der drei Sprichwörter echt ist (natürlich ohne vorher bei Wikipedia nachzusehen).

1. Wer am Tag die Erleuchtung sucht, kann nachts besser schlafen.

2. Du wirst den richtigen Weg finden, wenn du nicht ständig nach ihm suchst.

3. Leicht ist es, ein Reich zu regieren, aber schwer, eine Familie.

Gut.

Jetzt kommt natürlich die entscheidende Frage des kritischen Lesers: was soll der Humbug?

Antwort: Ich finde dies eine spaßige Übung für Kreative, die gerne schreiben, sich mal in eine andere Gemüts- und Weltanschauungslage hineinzuversetzen und situationsgerecht den richtigen Sprichworttext zu schreiben, so dass es keiner hinterfragt.

Der schöne Nebeneffekt: Chinesische Sprichwörter erzeugen bei vielen Gesprächspartnern – an der entscheidenden Stelle des Gespräches – eine nachdenkliche Regung. Weil viele Menschen gelernt haben, dass sich hinter Sprichwörtern immer ein Fünkchen Wahrheit verbergen kann.

Dein Text erzielt Wirkung. Was will man als Texter mehr?

Also, nur Mut zum Erfinden von Sprichwörtern.

Denn:

Wer in der Routine erstarrt, wird von den Mühen des Alltags irgendwann erschlagen.
Alexander Rubikov.

(Sprichwort und Autor frei erfunden).

Donnerstag, 14. Mai 2009

Ambient ohne Auftrag?

Gestern war ich in London.

Mir fiel auf, dass die vielen „Billboards“, die ich auf dem Weg zu unserer Agentur gesehen habe, in keinster Weise dem exquisiten Niveau entsprochen haben, das man als deutscher Kreativer von englischer Werbung so im Kopf herum trägt.

Erkenntnis: die Engländer kochen in der Krise scheinbar auch vermehrt mit Wasser.

Aber das nur am Rande.

Die interessanteste Werbeform sah ich nämlich auf dem Rückflug in einem Magazin, das man im Flugzeug eigentlich nur dann durchblättert, wenn man gar nichts anderes mehr zu lesen hat. Oder wenn man, wie ich, kurz vor dem Start seine Tasche mit allen Zeitungen abgenommen bekommt, weil man am Notausgang sitzt.

Die Rede ist vom Lufthansa Magazin (Ausgabe 05/2009).

Auf Seite 18 stolperte ich über einen Artikel, der mit „Das Rätsel des Kranichs“ überschrieben war.

Wer sich die Koordinaten +15.671825 und +39.443632 bei www.maps.google.com als Satellitenbild anzeigen lässt, der sieht ein Kornfeld an der Küste von Eritrea, in das ein Lufthansa Logo getrampelt/gemäht/gepflügt/gebrannt/gepostet (?) ist.

Lufthansa selbst gibt an, keine Ahnung von dieser Aktion gehabt zu haben. Google auch. Und der amerikanische Geheimdienst sowieso. Steht so in besagtem Artikel.

Eine geheime und geschickte Cross-Promotion zwischen Google und Lufthansa? Clever als PR-Gag eingefädelt?

Oder ein Zufall?

Wenn es nun wirklich keine gezielte und geplante PR-Aktion ist, was ist es dann?

Ein Mitarbeiter von Lufthansa, der in seiner Heimat seine Loyalität ausdrückt?

Ein Bauer aus Eritrea, der sein Faible für "Made in Germany" dokumentiert?

Ein gewiefter Geschäftsmann, der in diesem Land ein Ambient-Werbe-Projekt starten will?

Was auch immer der Grund für diese Aktion ist, am meisten hat mich die Tatsache beschäftigt, dass wir als Agentur schon so oft irgendwelche Guerilla-Aktionen in Feldern oder Landschaften erdacht und präsentiert haben, aber keiner wollte sie wirklich ernsthaft realisieren.

Guerilla oder Ambient soll immer Teil der Präsentation sein, in dem man zeigen muss, dass man als Agentur auch nicht-klassisch denken kann – aber die wenigsten Kunden haben wirklich Energie und Interesse, so eine Aktion dann auch mal umzusetzen.

In Eritrea hat es nun jemand hingekriegt.

Was immer auch dahinter steckt, wenn es am Ende dazu gut war, mal wieder auf diesen leidgeprüften Flecken Erde hinzuweisen, war es schon die Mühe wert.



Zufall, Plan oder Mysterium?

Dieses Logo an der Küste von Eritrea kannst du sehen, wenn du

die Koordinaten +15.671825 und +39.443632 bei www.maps.google.com eingibst und sie dir dann als Satellitenbild anzeigen lässt.

Montag, 11. Mai 2009

Der gläserne Kreative?

Vor 22 Jahren fand die letzte Volkszählung in Deutschland statt. Eine Volkszählung nennt man die Erhebung von statistischen Bevölkerungsdaten, damit eine Regierung ihren gesellschaftlichen Auftrag besser „planen“ kann (Infrastruktur, Renten, etc.).

Soweit ich mich erinnere, sollte diese Volkszählung schon einige Jahre früher durchgeführt werden. Aber der Widerstand in der Bevölkerung und die politische Entwicklung verzögerten diese Aktion.

Die zahlreichen Kritiker der Volkszählung spielten mehrere Jahre erfolgreich die „Datenmißbrauchs“- und die „Eingriff-in-Privatsphäre“-Karte aus.

Was gab es für Gegenbewegungen und Aufstände.

Der deutsche Staat startete eine 46 Millionen schwere Kampagne für die Volkszählung.

Darüber würde sich Google heute kaputt lachen.

Gegen das Tracking all unserer Bewegungen im Internet ist die Volkszählung eine Pipifax-Veranstaltung.

Dennoch:

Ich möchte hier offiziell festhalten, dass auch ich Analyse-Tools in meinem Blog nutze.

Nein, ich kann damit nicht sehen, wie du heisst oder wo du wohnst.

Nein, ich kann damit auch nicht sehen, ob du aus meiner Agentur bist und anonyme Kommentare hinterlässt.

Und nein, ich kann damit auch nicht sehen, welche anderen Webseiten der Leser gerne besucht.

Das ist mir auch vollkommen egal.

Was ich sehen kann ist, welche meiner Beiträge häufiger gelesen werden.

Das ist nützlich, denn damit kann ich meine Schlüsse für das Verfassen neuer Beiträge ziehen.

Für alle Leser, die erst seit kurzer Zeit vorbei schauen, sei erwähnt, dass meine ersten 100 Beiträge als reine Erfahrungsberichte eines Kreativchefs für Kreative und Berufseinsteiger gedacht waren. Jeweils beendet mit einem Tipp. So dass sich da 100 Tipps für den finden, der noch etwas Orientierung in diesem Job sucht.

(Eine Übersicht der ersten 50 Tipps findest du hier. Eine Übersicht der zweiten 50 Tipps findest du da.)

Damit alle von meiner Blog-Analyse profitieren können, liste ich  die 10 meist gelesenen Beiträge seit dem 1. September 2008 mal auf:

  1. Wer wird Textpraktikant. Und wie.
  2. Lieber Jean-Remy,
  3. Wie man TV Treatments schreibt.
  4. Wenn Kampagnen nach hinten losgehen.
  5. Slogan oder Claim?
  6. Das Briefing ist die ewig zu lange Kurzanweisung.
  7. Halbzeit: Die ersten 50 Tipps als Übersicht.
  8. Warum hat das Schwein Flügel?
  9. Journalist oder Werbetexter?
  10. Eine Longcopy zum Thema Longcopy.
Was nun das Tracking angeht: Ihr könnt jetzt abstimmen, ob es euch in diesem Blog stört oder ob es euch egal ist.

Freitag, 8. Mai 2009

Nachtrag: Wie finden Engländer deutsche Werbung?

Gerade habe ich in der englischen Fachzeitschrift Campaign (Ausgabe 1. Mai 2009) einen Artikel über die englische Werbeszene (also eigentlich die Londoner Werbeszene) gelesen.

Hintergrund: eine australische Agentur hat scheinbar ihren Etat für eine neuseeländische Wodkamarke mit dem Namen 42Below an eine Londoner Agentur verloren (Hintergrundinformation hier).

Daraufhin hat diese Agentur ein zynisches Video auf YouTube gestellt (siehe unten).

Man kann darüber streiten, ob das die richtige Art ist, einen Etatverlust zu verdauen. 

Aber es führt uns zu zwei Erkenntnissen.

Erstens: Auch in London steht man vor Umwälzungen, denn die kommunikativen Innovationen kommen inzwischen eher aus Amerika (CPB, TBWA/ChiatDay, R/GA, Anomaly, Drogba5) oder auch aus Ländern wie Holland, Brasilien und Argentinien.

Zweitens: In einer Umfrage von Campaign, wie  Werber aus anderen Ländern die Londoner Werbeszene sehen, kamen Vertreter aus Australien, Indien, Frankreich, Neuseeland, Argentinien, Asien, HongKong, USA und auch aus Holland zu Wort.

Aber keiner aus Deutschland.

Soviel zum internationalen Stellenwert deutscher Werbung.

Dies ist das zynische Video einer Agentur aus Australien, die ihren Kunden an eine Agentur aus London verloren hat.

Wie finden Engländer deutsche Werbung?

Diese Frage hat neulich einige Kommentatoren hier beschäftigt. Ich selbst habe sie mir früher als Jungkreativer auch mal gestellt.

Dahinter steckt wohl der Wunsch, ob die vermeintlichen Großmeister der Werbung sehen, dass hier in unserem Lande die ein oder andere gute Kreation gemacht wird.

Ich möchte diese Frage deshalb noch mal etwas intensiver beleuchten als mit meiner Antwort im Post, die da lautete: die Engländer beschäftigen sich mit deutscher Werbung wie sich der FC Barcelona mit dem Fußball des Hamburger SV beschäftigt.

Natürlich gibt es Engländer, die sich aus geschäftlichen Gründen mit deutscher Werbung intensiver auseinander setzen. Leute wie Tim Delaney etwa.

Aber der normale Inselkreative schaut interessiert – wenn überhaupt – auf andere Werbenationen als die unsere. Schon allein der Sprache wegen.

Ein sehr gutes Beispiel, wie Engländer zu ausgezeichneter Werbung stehen (im Gegensatz zu uns), zeigt der jüngst Beitrag „Objective – Good. Subjective – Bad“ im Blog von Dave Trott (der hat ungefähr die gleiche Altersklasse wie Tim Delaney).

Ein anonymer Kommentator hat mich am Mittwoch auf diesen Text aufmerksam gemacht (besten Dank dafür).

Also: Dave Trott nahm vor kurzem an einer Jury des D+AD teil und befand sich in der internationalen Kategorie (d.h. mit 50 % Kreativen aus anderen Ländern und 50% Engländern besetzt), die eben solche Arbeiten (internationale) beurteilen mussten.

Ihm fiel auf, dass die Nicht-Insulaner in der Jury gerne das Argument „I like it“ benutzten.

Eine Erkenntnis, die ich aus meinem vielen Jurys beim ADC nur unterstreichen kann.

„Das gefällt mir.“

Das ist aber eine rein subjektive und geschmackliche Beurteilung der Arbeit. Und damit zu wenig.

Dave Trott geht noch weiter und behauptet, dass man als Juror nicht die eigene (subjektive) Brille aufsetzen muss, sondern die des Konsumenten.

Er sagt, man muss argumentieren mit den Worten „It works because...“.

Das ist genau der Punkt.

Warum funktionieren und begeistern einige Arbeiten so viel mehr als all die anderen?

Das ist es, was eine Jury herausfinden sollte.

Da aber in unseren ADC Jurys gerne mal der eine Juror dem anderen Juror helfen will, fällt ihm eben zu einer durchschnittlichen Arbeit nicht mehr ein als:

„Ich würde gerne noch mal die Arbeit XY diskutieren, die gefällt mir nämlich gut“.

Frage: Warum?

Antwort: Ist doch gut gemacht.

Frage: Was genau?

Antwort: Sieht doch gut aus. Ich find sie einfach gut.

Nicht selten laufen Diskussionen in deutschen Jurys so ab.

Nun mag man dem ein oder anderen Juroren nachsehen, dass er vielleicht verbal nicht so beschlagen ist wie andere. Und den Nicht-Engländern in der D+AD Jury vielleicht auch, dass ihr Englisch nicht so gut ist. Aber jeder Juror in einer Jury sollte absolut in der Lage sein, stichhaltig zu begründen, warum er eine Arbeit für medaillenfähig hält.

Warten wir also mal gespannt, ob Amir Kassaei das Thema „Jurybesetzung“ wirklich angeht, so wie er es mir neulich auf der ADC Sektionssitzung in Hamburg gesagt hat.

Was die Engländer angeht: Da haben die meisten Kreativen wohl auch bei Wettbewerben mehr Fairplay-Gene in ihrem Körper als die Kreativen hier bei uns.

Mittwoch, 6. Mai 2009

Je leichter es aussieht, desto härter der Kampf.

Ich habe gerade eine schöne Ambient-Aktion gesehen (oder virale Aktion? Oder Guerilla Aktion? Oder Media Aktion? Oder gar schon eine integrierte Aktion?).

Ach, einfach eine sehr auffällige Aktion.

Sie passt bestens zu meinem Thema von gestern, nämlich dass vor lauter Goldideen-Energie bei vielen Kreativen der Kampfeswillen für richtige Ideen erloschen ist.

Allein schon der Aufwand zeigt, dass es kein Fake sein kann, sondern dass da jemand ein ernstes Anliegen hatte. Es lautet: Mehr Leute sollen mit dem Bus zum Flughafen fahren und so den CO2-Ausstoß reduzieren.

Der jemand hat sich nun keine kleinen Anzeigen ausgedacht, sondern er hat sich was ganz Großes in den Kopf gesetzt.

Er hat aus Autowracks einen großen Autobus an der Autobahn zum Stockholmer Flughafen gebaut.

Ich möchte nicht wissen, wie lange die gebraucht haben, um Kunde, Behörde und schließlich eine Produktionsfirma zu überzeugen, diese Installation auf die Beine bzw. auf die Räder zu stellen.

Das muss schon ein ganz besonderer Kampfeswillen gewesen sein.

Doch ich bin mir sicher: er wird nicht nur mit viel Beachtung, sondern auch mit viel Edelmetall belohnt werden.

Da fällt mir ein: Ich war vor 10 Tagen gerade in Stockholm, aber habe die Installation nicht gesehen (oh Gott, doch ein Fake?).

Vielleicht ist das Projekt brandneu. Oder ich bin eine andere Strasse gefahren. Oder ich bin im Taxi eingeschlafen.

Ganz nebenbei: Wer sich fragt, wie gute Erklärungsfilme aussehen, der findet auch dazu eine Antwort.

Obwohl, etwas kürzer hätte das Ding schon sein können.




Das Installations-Projekt „Flygbussarna“ für die schwedischen Flughafen Busse, entwickelt von ACNE Digital, Stockholm.

Dienstag, 5. Mai 2009

Das verdammte Kunden-sind-so-Gen.

Ich sehe mich hier im Blog immer wieder mit der Frage konfrontiert, warum in anderen Ländern, speziell in England und Amerika, die Werbung ein höheres Niveau hat.

Warum kriegen die scheinbar so viel mehr Meisterwerke raus als wir?

Zuerst einmal ist das ein Wahrnehmungsproblem.

Immer, wenn ich für eine neue Automarke gearbeitet habe, befiel mich der Eindruck, dass unglaublich viele Mercedes-Automobile auf der Strasse fuhren. Dann arbeitete ich für Audi und plötzlich sah ich viele Audis. Dann BMWs. Und heute Skodas.

Mit exzellenter Werbung ist das ähnlich.

Wer durch die Archivwelten des Webs nach starken Ideen surft, sieht so viele Meisterwerke aus aller Herren Länder, dass sich automatisch das Gefühl einstellt, in anderen Ländern ist die Werbung einfach besser.

Auch Englisch – quasi als Muttersprache ausgezeichneter Werbung – macht die ein oder andere Anzeige aus unserer deutschen Sicht meistens noch mal einen Hauch besser als sie in Wirklichkeit ist.

In England und Amerika gibt es genau so viel grauenhaftes Zeug, wenn nicht sogar mehr, als in unseren Gefilden.

Aber es gibt eben auch weit mehr Highlights.

Die Kultur und das Verständnis für Werbung in diesen Ländern ist anders.

Und die Kreativen kämpfen noch intensiver und noch energischer darum, eine gute Idee on air zu kriegen (siehe auch einen Kommentar zu den zahlreichen Initiativen der Kreativen und der mühsamen Entstehungsgeschichte des „Gorilla“-Spots für Cadbury – hab den Kommentar leider nicht mehr genau lokalisieren können).

Nicht nur – aber auch – durch die Fake- und Goldmedaillen-Mentalität ist bei mir der Eindruck entstanden, dass viele Kreative in Deutschland gar nicht mehr richtig um die gute Idee ringen.

„Kunden sind eben so, die wollen keine mutige Werbung“! Deshalb macht man schnell das, von dem man glaubt, dass es den Vorstellungen des Kunden entspricht – und verwendet seine restliche Zeit und Energie lieber auf Goldideen.

Das ist eine Sackgasse.

Wir müssen unsere Leidenschaft auf die realen Briefings lenken. Wenn der Kunde die Idee beim ersten Mal nicht kauft, dann sollten wir nach Hause gehen und einen neuen Anlauf nehmen.

So lange, bis man die Nuss geknackt ist.

Ich weiß, ich weiß, ich weiß.

Dass diese meine Sicht eine sehr idealistische und reduzierte Sicht von teilweise sehr komplizierten Kunden-Agentur-Beziehungen ist. Und dass es im Alltagsgeschäft nicht zu jeder Zeit realisierbar ist.

Aber wer aufgibt, hat von vornherein verloren.

Ich kann nur aus meiner Erfahrung berichten, dass der Kampf um die gute Idee früher ein ganz anderer war als heute.

Ganz einfach weil es das Thema Goldideen noch nicht gab und man als Kreativer wusste, dass es nur diese Chance gibt, eine gute Idee an die Öffentlichkeit zu bekommen.

Es ist nur zu leicht, die Schuld auf die Kunde zu schieben.

Der Goldideen-Widerstand ist bei Kunden natürlich viel geringer und es liegt in der Natur der Sache, dass der Mensch lieber den Weg des geringsten Widerstandes geht.

Dieses „Kunden-sind-so“-Gen ist inzwischen so ausgewachsen, dass unsere Kreativszene eine fatalistische Seele bekommen hat.

Ich bin sicher, dass es auch in Deutschland den einen oder anderen Bierkunden gibt, der die „Walk-in Fridge“ Spots zugelassen hätte.

Es ist an der Zeit, sich an die eigene Nase zu fassen und vielleicht das eine oder andere Verhalten zu ändern.

Ich habe übrigens eine große Nase.



Ein ungewöhnlicher Film für Philips Carousel, den ersten Fernsehapparat in Kinoleinwandformat. Agentur: Tribal DDB, Amsterdam, Regie: Adam Berg.

Am besten auf www.cinema.philips.com im 21:9 Format ansehen.


Rauskriegen von Meisterwerken muss nicht immer heißen, es ins Fernsehen zu kriegen.

Samstag, 2. Mai 2009

Die Moral von der Geschichte.

Stehe ich Fakes kritisch gegenüber?

Ja.

Produziert unsere Agentur Goldideen?

Ja.

Passt das zusammen?

Ja.

Es liegt in der Natur von Kreativen, die ihren Job ernst nehmen, Ideen zu entwickeln, die Gewohnheiten sprengen, Normen brechen oder ganz neu in einer Branche oder Kategorie sind.

Wenn die Kunden (speziell in Zeiten wie diesen) solche Ideen weniger zulassen, dann versuchen diese Kreativen, ihre Ideen auf anderen Wegen ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen.

Ich differenziere zwischen Goldideen und Fakes.

Goldideen sind Ideen, die auf bestehenden Kunden oder existierenden Briefings entstehen und dann von der Agentur (eventuell mit Hilfe des Kunden) veröffentlicht werden.

Das sind für mich Ideen, die im Rahmen einer bestehenden Kampagne Sinn machen und die auf das Markenkonto und die Strategie des Kunden einzahlen.

Ideen, die auch beim Kunden Akzeptanz finden, aber eben gewisse Hierarchien nicht überspringen und dann "nur" als Goldideen im kleineren Rahmen veröffentlicht werden.

Oder Ideen, die eben gewissen Nischen oder besondere Produkte oder besondere Features bewerben.

Fakes sind für mich all die Ideen, die zuerst entstehen und dann wird ein Kunde gesucht (Idee sucht Kunde). Oder aber Ideen, die mit der eigentlichen Kommunikation des Kunden nicht die Bohne zu tun haben.

Doc Morris ist so ein Beispiel.

Da gab es erst diese Kondom-Geschichte (siehe hier) und vergangenen Mittwoch habe ich dann in deiner Szenezeitschrift eine Anzeige für Babypflaster von Doc Morris gesehen. Da sieht man ein Kinder-Pflaster, das auf einer Seifenblase klebt. Abbinder: Sensitive products. Doc Morris.

Diese Anzeige hat mit den Kondom-Anzeigen nichts zu tun. Und mit der Marke schon gar nichts.

Wenn ich Doc Morris wäre, würde ich doch strategisch ganz anders im Markt vorgehen (die einzige oder größte Online-Apotheke bewirbt Babypflaster?). Das ist doch totaler Schwachsinn.

Genau diese Art von Goldideen sind es, die das ganze Kreativ-Wettbewerbs-System so willkürlich und belanglos gemacht haben. Und seine Akzeptanz gefährden.

Das sind die Aktionen und Arbeiten, die unser Geschäftsmodell aushöhlen.

Wenn man in einer Jury sitzt, und den ganzen Tag nur so oberflächliches Zeug sieht, dann kann man den Schweizer-Satz „Verschwendung schöpferischer Energie“ durchaus verstehen.

Und natürlich finde ich es eine schlimme Entwicklung, wenn Agenturen nur noch auf das Ranking schielen und auf Teufel komm raus Ideen schrubben, ganz egal ob für Freund oder Feind, Schwulen-Sauna oder Autohersteller.

Wenn es so weit geht, dass im Ideen-Portfolio der Agentur so gar keine Linie mehr zu erkennen ist, weil die Medaillen mit den eigentlichen Arbeiten nichts zu tun haben.

Wo bleibt da die Moral?

In dieser Branche gibt es keine. Jeder Einzelne kann nur für sich selbst definieren, wie sein ideales wie idealistisches Arbeitsmodll aussieht.

Jeder muss sich darüber im Klaren zu sein, wie das System funktioniert und was er darin tut. Er muss für sich entscheiden, wie er es für sich nutzt, ohne es schamlos auszunutzen oder gar zu gefährden.

Und man sollte sich vielleicht nicht hinstellen und Wasser predigen, aber selbst Wein trinken.