Freitag, 8. Mai 2009

Wie finden Engländer deutsche Werbung?

Diese Frage hat neulich einige Kommentatoren hier beschäftigt. Ich selbst habe sie mir früher als Jungkreativer auch mal gestellt.

Dahinter steckt wohl der Wunsch, ob die vermeintlichen Großmeister der Werbung sehen, dass hier in unserem Lande die ein oder andere gute Kreation gemacht wird.

Ich möchte diese Frage deshalb noch mal etwas intensiver beleuchten als mit meiner Antwort im Post, die da lautete: die Engländer beschäftigen sich mit deutscher Werbung wie sich der FC Barcelona mit dem Fußball des Hamburger SV beschäftigt.

Natürlich gibt es Engländer, die sich aus geschäftlichen Gründen mit deutscher Werbung intensiver auseinander setzen. Leute wie Tim Delaney etwa.

Aber der normale Inselkreative schaut interessiert – wenn überhaupt – auf andere Werbenationen als die unsere. Schon allein der Sprache wegen.

Ein sehr gutes Beispiel, wie Engländer zu ausgezeichneter Werbung stehen (im Gegensatz zu uns), zeigt der jüngst Beitrag „Objective – Good. Subjective – Bad“ im Blog von Dave Trott (der hat ungefähr die gleiche Altersklasse wie Tim Delaney).

Ein anonymer Kommentator hat mich am Mittwoch auf diesen Text aufmerksam gemacht (besten Dank dafür).

Also: Dave Trott nahm vor kurzem an einer Jury des D+AD teil und befand sich in der internationalen Kategorie (d.h. mit 50 % Kreativen aus anderen Ländern und 50% Engländern besetzt), die eben solche Arbeiten (internationale) beurteilen mussten.

Ihm fiel auf, dass die Nicht-Insulaner in der Jury gerne das Argument „I like it“ benutzten.

Eine Erkenntnis, die ich aus meinem vielen Jurys beim ADC nur unterstreichen kann.

„Das gefällt mir.“

Das ist aber eine rein subjektive und geschmackliche Beurteilung der Arbeit. Und damit zu wenig.

Dave Trott geht noch weiter und behauptet, dass man als Juror nicht die eigene (subjektive) Brille aufsetzen muss, sondern die des Konsumenten.

Er sagt, man muss argumentieren mit den Worten „It works because...“.

Das ist genau der Punkt.

Warum funktionieren und begeistern einige Arbeiten so viel mehr als all die anderen?

Das ist es, was eine Jury herausfinden sollte.

Da aber in unseren ADC Jurys gerne mal der eine Juror dem anderen Juror helfen will, fällt ihm eben zu einer durchschnittlichen Arbeit nicht mehr ein als:

„Ich würde gerne noch mal die Arbeit XY diskutieren, die gefällt mir nämlich gut“.

Frage: Warum?

Antwort: Ist doch gut gemacht.

Frage: Was genau?

Antwort: Sieht doch gut aus. Ich find sie einfach gut.

Nicht selten laufen Diskussionen in deutschen Jurys so ab.

Nun mag man dem ein oder anderen Juroren nachsehen, dass er vielleicht verbal nicht so beschlagen ist wie andere. Und den Nicht-Engländern in der D+AD Jury vielleicht auch, dass ihr Englisch nicht so gut ist. Aber jeder Juror in einer Jury sollte absolut in der Lage sein, stichhaltig zu begründen, warum er eine Arbeit für medaillenfähig hält.

Warten wir also mal gespannt, ob Amir Kassaei das Thema „Jurybesetzung“ wirklich angeht, so wie er es mir neulich auf der ADC Sektionssitzung in Hamburg gesagt hat.

Was die Engländer angeht: Da haben die meisten Kreativen wohl auch bei Wettbewerben mehr Fairplay-Gene in ihrem Körper als die Kreativen hier bei uns.

5 Kommentare:

ramses101 hat gesagt…

Aber ist das nicht wirklich nur eine Frage der Eloquenz? Wenn ein Juror dem anderen sagt "It works because ..." dann kann danach doch auch nichts Substanzielles kommen. Es sei denn, er hat Fakten, die belegen, dass es "workt" und warum.

Ansonsten läuft es doch auf "I think it works" hinaus. Und das ist eben so gut wie "I like it", klingt nur professioneller.

Und was macht der Juror, wenn ihm jemand sagt "I like it ... because it works."?

Und kriegt auch jemand den Black Pencil, wenn seine Arbeit zwar funktioniert, aber von niemandem gemocht wird? (Soll es ja auch geben. Whipple lässt grüßen.)

chris hat gesagt…

propagier das schon seit jahren "ich finde" ist aus meinem Sprachschatz verbannt. Und jeder der in meine nähne kommt bekommt das zu hören.=)Ich finde ist subjektives gebrabbel und irrelevant in ner diskussion.

Entweder "Es ist gut/schlecht weil xy" oder garnix.

Max Goldt hat dazu mal nen schönen Text geschrieben, weiß leider gerade nicht wie er heißt.

sossenteufel hat gesagt…

ist das nicht sowieso für werbung substanziell? ich habe von der pieke auf, wann immer ich nicht durch die augen der zielgruppe gesehen hab, zu hören bekommen "du bist nicht die zielgruppe, also interessiert deine persönliche meinung niemanden!". und ich finde das absolut korrekt. also frage ich mich, warum kreative in einer jury plötzlich ihre eigenen maßstäbe ansetzen...

allerdings muss ich ramses101 auch rechtgeben. "it works because..." KANN in vielen fällen auch auf eine ganz eigene sichtweise des kommentierenden hinauslaufen!

Seb hat gesagt…

Ist "it works" nicht eine der unschönen Sachen, die man über kreative Arbeiten sagt?

Zschaler hat gesagt…

@Seb: Bei einem englischen Juror kann man davon ausgehen, dass er sowieso nur über Arbeiten nachdenkt, die erst einmal auffallen.

Dann überlegt er sich, ob die auffälligen Arbeiten auch ihren Job machen. Und nicht einfach nur ein auffälliges Layout oder eine auffällige Story mit einer irrelevanten Botschaft sind.

Grüße nach Berlin.