Montag, 26. Oktober 2009

Der Weg in die Agenturzukunft?

Der Werbung wird in letzter Zeit so häufig der Garaus prophezeit, dass man fast schon wieder ein Freund der These „Totgesagte leben länger“ werden sollte.


Die löwenschwere amerikanische Agentur R/GA präsentiert sich in einem Vortrag vor Studenten der Wharton University als Nonplusultra-Zukunftsmodell: the agency of the digital age.


(Ich persönlich fühle mich teilweise an den Film „The Big Lebowski“ erinnert. Nur noch „dudes“ um einen herum).


Man muss anerkennen, das Thesen und Prozessmodelle sehr geschickt aufgezeigt werden, so dass Agenturen wie Crispin oder Goodby plötzlich als Auslaufmodelle erscheinen. Und wir sowieso.


Das beigefügte Video ist deshalb schon allein aus zwei Gesichtspunkten sehr interessant:


Gesichtspunkt 1: Wie man sich als Agentur überzeugend präsentiert und differenziert.


Gesichtspunkt 2: Mit welcher Selbstverständlichkeit und Lässigkeit amerikanische Kreative sich als die Größten darstellen.


Wem das Video (37 Minuten) allerdings zu lang ist, für den fasse ich gerne zusammen: 


Die Quintessenz liegt in der These, dass Kampagnen von gestern sind (weil sie immer nur kurze Peaks kreieren und eine Marke danach wieder in Vergessenheit geraten lassen – was m.E. Bullshit ist). Und dass Platformen die Kommunikation von morgen bedeuten.


Was mit Platform gemeint ist, soll u.a. das Beispiel Nike „The human race“ verdeutlichen. 


Hier wurde – nach R/GA Credo – keine profane Kampagne geschaffen, sondern eben eine solche Platform kreiert.


Das kann man nun so oder so sehen.


Sicher ist es richtig, dass durch Nike+ (mit integriertem ipod sport kid) und „The Human Race“ ein Produkt (jetzt: Platform) geschaffen wurde, das länger hält als eine Kampagne. Sagen wir es mal so: Es ist einfach ein großartig gemachtes Konzept. Kompliment.


Aber die Platform ist einfach Teil des Produktes. Wer da was erfunden hat, lassen wir mal aussen vor. Und es hat auch einer Kampagne (jetzt: Bewegung) bedurft, um die Platform anzuschieben.


Überzeugend an der "Platform" ist, dass der interaktive Charakter und die Zusammenführung von Läufern auf der ganzen Welt eine ganz andere Kraft entwickeln konnten als eine profane Werbekampagne je hätte entwickeln können. Aber dazu hat es eben auch dieses "Produktes" bedurft.


Dass „profane Werbekampagnen“ ihren Zenit überschritten haben dürften, steht für mich außerhalb der Debatte. Und auch, dass Agenturen viel weiter "vorne" im kreativen Entwicklungsprozess eingreifen sollten.


Doch es kommt immer auch darauf an, was ein Produkt hergibt. Und welches Budget zur Verfügung steht.


Ob man dann alte Begriffe verwendet (Produkt, Kampagne) oder neue (Platform, Bewegung) ist Agenturmarketing.





The Way Forward? Video über einen „Vortrag“ zweier Agenturbosse von R/GA New York vor Studenten. Achtung: Länge 37 Minuten.

5 Kommentare:

hubertus von lobenstein hat gesagt…

Lieber Stefan, kleiner Beitrag zum Thema Wortschmiederei: Gestern ist mir auf Twitter einer untergekommen, der sich statt Entrepreneur die Berufsbezeichnung Infopreneur gegeben hat....Ansonsten bleibt festzuhalten, das uns die Amis bei aller Wortakrobatik im Moment abseits von Budgets u.ä. schon einen ordentlichen Schritt voraus sind. See you soon.hvl

Anonym hat gesagt…

Zur Selbstdarstellung: Dass die Amerikaner zu Übertreibungen und Superlativen neigen, ist ja bekannt. Muss man halt so nehmen und nicht zu wörtlich übersetzen. Wenn mich in Deutschlang jemand mit "Großartige Leistung!" loben würde, fühlte ich mich verarscht ;)

Zum Inhalt: Hoffentlich denkt jetzt nicht jede Agentur/jeder Kreative, dass sie/er statt Kampagnen (Pseudo-)Bewegungen erschaffen muss. Mir graut's allein beim Gedanken an Johannes B. Kerner für einen Geflügelwursthersteller: "Daraus ist 'ne ganze Bewegung entstanden."

On a side note...

Sind die Amis uns wirklich soviel voraus? Manchmal sind sie einfach (nur) anders. Siehe z.B. Netzwahlkampf in den USA (oder QR Codes in Japan). Was woanders funktioniert, muss nicht zwangsläufig auch hier funktionieren.

Ich denke, Kampagnen werden auch in Zukunft eine Berechtigung haben. Nicht jedes Produkt/jede Marke taugt zur "Bewegung". Viel spannender ist es eh, wenn eine Plattform entsteht, ohne dass da eine Agentur ihre Finger im Spiel hat.

Gruß,
Sebastian

Zschaler hat gesagt…

Kommentar trifft es gut.

Anonym hat gesagt…

Hmm... Die Jungs machen gute Werbung für das, womit sie ihr Geld verdienen.

Kein Medium hat bisher das andere komplett verdrängt. Es gibt Transformationen. Aber so wie das Radio noch Jahrzehnte bestehen wird, wird auch die klassische Kampagne weiterbestehen.
Sie muss eben lernen, sich weiter zu vernetzten und weiterhin auf ihre Stärken besinnen.

Werd jetzt mal das Internet aus machen und einen Blick in den guten alten Fernseher werfen; der ja auch schon so bald vom Internet abgelöst worden sein sollte.

MOSESPEACE hat gesagt…

http://www.slate.com/id/2233597/

wieder mal off-topic ;)