Dienstag, 8. Juni 2010

Kommunikation der Gauckler.

Joachim Gauck als Bundespräsident. Wir für Gauck. Das sind Namen von nur zwei Fangemeinden, die es in kurzer Zeit auf tausende „Gefällt mir's“ gebracht haben.

Das Volk darf den Bundespräsidenten nicht wählen, versucht es dank Facebook aber trotzdem.

Die ganze Casting-Show um die Kandidaten zeigt wieder mal, wie wichtig Glaubwürdigkeit und Authentizität in der Kommunikation sind. Und wie wenig davon in der politischen Kommunikation übrig geblieben ist.

Am Sonntag abend bin ich bei Anne Wills Laberstunde hängen geblieben. Zwar nur für kurze Zeit, denn länger erträgt man die Plattitüden nicht mehr. Aber diese Zeitspanne allein war für einen Kreativen in der Kommunikation recht erhellend.

Die SPD-Vertreterin (eine Frau Schwesig) rühmte sich, dass ihre politische Gruppe mit Gauck einen Vertreter präsentiert, der über allen Parteien steht, weil auch die politischen Gegner vor Jahren (schwarz-gelb) diesen Kandidaten schon für geeignet befunden haben.
Der Regierungskoalition wirft sie im gleichen Atemzug vor, mit Wulff einen rein politisch motivierten Kandidaten ausgewählt zu haben.

Die Gegenseite (Stoiber/CDU, Lindner/FDP) lobt Gauck, lobt aber noch mehr Wulff. Weil er mit seiner Nähe zur Politik und den großen anstehenden Aufgaben dem Amt mehr Relevanz und Problemnähe (oder so ähnlich) geben kann als Gauck.

Eine leere These jagt die andere. Bla bla bla.

Lafontaine findet sowieso alles Mist und kann nur noch als Unterhaltungsfaktor in der Runde betrachtet werden.

Schließlich kommt die Wahrheit zu Wort. In Form des stellvertretenden Chefredakteures vom stern, Ulrich Jörges.

Das größte Problem von Wulff sei Gauck.

Weil der als ein Mann des Volkes gilt, weil er integer ist, weil er authentisch ist und für Ost und West steht.

Gauck sei von der SPD/den Grünen aber nicht aus ihrem unbändigen Sinn fürs überparteiliche Gemeinwohl präsentiert worden, sondern genau aus dem einen taktischen Grund, nämlich Wulff – und damit die Regierungskoalition – politisch auszubremsen. Denn auch in Union und FDP gibt es bekanntermaßen viele Gauck-Gefällt mir-Leute.

Die Sahne auf dieser Theorie war dann aber die folgende Anekdote. Jörges wurde ein paar Stunden vor der Sendung von einem Steinmeier-Mitarbeiter angerufen (hat er sich später ergoogelt), ob er nicht mit Gauck vor der Sendung noch mal sprechen wollen, um die richtigen Argumente zu haben.

Lobbyarbeit in Reinkultur, die sich die SPD-Tante natürlich überhaupt nicht erklären konnte.

Das kommunikative Drama nimmt seinen Lauf und ist längt ein politisches geworden.

Es geht den Volksvertretern heute gar nicht mehr darum, das Richtige zu tun, sondern nur darum, den anderen zu blockieren. Eine Erkenntnis, die ich auch sammeln konnte, als ich mal eine Kampagne für eine Partei zur Landtagswahl entwickelt habe.

Die Erfahrung allerdings zeigt, dass in der Kommunikation nichts schlimmer ist, als dauerhaft den Gegner schlecht zu machen. Vor allem, wenn man selbst mit seiner Leistung nicht über allen Zweifel erhaben ist.

Im normalen Wirtschaftsalltag wäre das Unternehmen Deutschland mit dieser Kommunikationsstrategie längst pleite.

Im Politikalltag steht es kurz davor.

Und keinen wundert es.

Was für eine perverse Situation.

3 Kommentare:

Oliver Hermes hat gesagt…

Schöne Analyse. Sie wissen es alle. Und können trotzdem nicht anders. Das ist das Merkwürdige.

Gundel Gauckeley hat gesagt…

Der wurde ja sowieso nur als "Statement" nominiert. Die SPD mußte einen Gegenkandidat schicken, schon aus Prinzip. Von daher war und ist das Ganze sowieso schon eine Farce und stand nur unter dem Motto "[...], den anderen zu blockieren."

Das gilt allerdings im Grunde auch für die anderen, als sie einfach Wulff nominiert, der ziemlichen Stallgeruch hat.

Von daher wundert auch die ungeschickt versuchte Einflußnahme nicht.

Was die Kommunikationspleite angeht, haben wir die glaube ich schon, ist eher ne Insolvenzverschleppung.

Anonym hat gesagt…

Jo, im aktuellen Spiegel ist das ganze Thema gut beleuchtet. Die SPD und Grünen haben Gauck sicher aus politischem Kalkül ausgewählt, haben der Regierungskoalition ihren Kandidaten aber immerhin vertraulich, mit Bitte auf eine überprateiliche Einigung, bereits vor der Nominierung Wulffs vorgeschlagen. -Laut Spiegel