Samstag, 31. Juli 2010

Bin dann mal auf Entzugskur.

Die nächsten drei Wochen ist hier Sendepause.

Ich gönne mir einen Therapeuten-Team, um mich von meinen digitalen Abhängigkeiten zu kurieren.

Meiner Abhängigkeit von Facebook, von Twitter, vom iPhone, vom MacBook, vom Internet.

Ach verdammt, hat früher irgendeiner gefragt, wie abhängig man vom Telefon ist?

Egal, ich verlass mich voll auf die italienischen Therapiespezialisten. Man findet sie zum Beispiel in kleinen oberitalienischen Trattorias.


Ciao.

Dienstag, 27. Juli 2010

Vermisstenanzeige.

Wo kommen gute Ideen eigentlich her? Diese Frage bekommt man von jungen Leuten, die in unsere sogenannte Kreativbranche einsteigen, immer wieder gestellt.

Natürlich gehört zu guten Ideen eine gewisse Portion Talent. Und eine gewisse Portion Intelligenz (mal mehr, mal weniger). Aber vor allem gehört dazu eine große Portion Fleiss.

Der Fleiss, sich akribisch die richtigen Informationen zu besorgen. Genau die, die einen zu besagten Ideen führen.

Das digitale Zeitalter hat uns im letzten Punkt ganz schön viel abgenommen.

Bei einem Pitch beispielsweise können wir alles im Netz recherchieren. In Blogs erfahren wir das Konsumentendenken, bei entsprechenden Service-DotComs bekommen wir die Konkurrenzslogans, Werbemittel und Marktdaten – und wenn wir irgendwelche technischen Details oder weiß der Henker was wissen wollen: Google, Wikipedia oder YouTube machen uns schlauer.

Schlauer vielleicht, aber sie machen uns nicht unbedingt kreativer.

Weil die Kollegen auf genau dieses Material ja auch Zugriff haben, ist die Gefahr groß, dass sie ähnliche Schlüsse ziehen und sich zu ähnlichen Lösungen inspiriert fühlen.

Worauf die Kollegen aber keinen Zugriff haben, sind meine persönlichen Eindrücke, Erfahrungen und Antworten, die ich in einem Gespräch am Tisch, im Laden oder am Fließband mit Kunden bekomme.

Eine Erkenntnis, die ich in diesem Blog schon an anderer Stelle strapaziert habe, weshalb ich mir schon wie so ein klugscheissender alter Druide in einem schlechten Asterix- und Obelix-Comic vorkomme. Aber in den letzten Wochen und Monaten ist diese Erkenntnis durch verschiedenste Erlebnisse zurück auf meine Gehirn-Agenda gelangt.

Was von Vorteil ist, weil man ja selbst zur digitalen Recherche-Bequemlichkeit neigt.

Ich stelle immer wieder fest, dass ich die besten Ideen (oder zumindest ihre Ansätze) immer dann habe, wenn ich mit den Kunden über ihre Situation, ihre Einschätzungen zum Markt und zur Marke, zur internen Situation und vor allem über ihre persönlichen Erwartungen und Zielen rede.

Da kommen die Halbsätze, die das Potential zu einem Strategieansatz oder einer Kampagnenidee haben können.

Und wenn nicht, dann kann ich zumindest erfühlen, was Kunden mit Sicherheit nicht wollen.

Doch im Zeitalter der digitalen Kommunikation, in der es normal ist, dass man vom Empfang seiner Firma eine e-Mail bekommt, dass man wirklich ganz dringend den wichtigsten Kunden zurückrufen soll, denn es gehe um Leben und Tod, muss man sich nicht wundern, wenn auch die ganzen Hintergrundinformationen der Kunden mehr und mehr als emotionslose PDFs oder DOCs zu einem gelangen.

Online-Pitches, bei denen eine persönliche Kontaktaufnahme in erster Instanz nicht gewünscht sind, sind für mich Unfug.

Wenn man für seine Marke und sein Budget einen neuen Kommunikationspartner sucht, dann sollte man doch mal miteinander reden und sich in die Augen sehen. Schon allein um festzustellen: können wir überhaupt miteinander?

Natürlich ist es für alle Beteiligten in unserem eng – weil digital – getakteten Tagesablauf lästig, die vielen möglichen Agenturen im Screening persönlich zu besuchen, die Reisen auf sich zu nehmen und mit jedem Pitchteilnehmer Gespräche zu führen. Von den Kosten ganz zu schweigen.

Doch wer wirklich an besserer Kommunikation und an seiner Marke interessiert ist, sollte diese chemische Prüfung vornehmen.

Dies gilt im übrigen auch für die Agenturleute, die sich ihrer vermeintlichen Computerallmächtigkeit ergeben haben und sich davor den Arsch platt sitzen statt mit Verve zu versuchen, nicht vielleicht doch ein Gesprächstermin zu erwirken.

Oder für die Kreativen, die Werbung für die Kunden des Supermarktes machen, aber selbst dort nie einkaufen geschweige denn mit solchen Leuten mal reden.

Ich gebe deshalb hiermit eine Vermisstenanzeige auf: Vermisst wird das persönliche Gespräch.




Remake TVC „Diner“ von Pepsi. Agentur TBWA/Chiat Day. Man sieht, dass das persönliche Gespräch auch Rivalen weiter bringt. Das Original des Spots siehe unten.



Leider ist diese original Version für Pepsi (von BBDO) immer noch um Längen besser. Glaubwürdiger erzählt, intensivere Bilder, stärkeres Casting, stimmigere Story und eine bessere Musik.

Joe Pytka war einfach ein Meister seines Faches. Und Remake selten besser als das Original.

Mittwoch, 21. Juli 2010

Heute sag ich mal nix.

Sondern lass Musik sprechen. Und unterstütze mit meinem kleinen kurzen Beitrag diese charmante und sehr substantielle Kampagne (inklusive der Website) von „Why music matters“. Gemacht von Musikern und Künstlern.


Music Matters - Kate Bush (23-3-10) from Music Matters on Vimeo.


Film „Kate Bush“ vom Illustrator Elliot Dear für die „Why music matters“-Kampagne.

Montag, 19. Juli 2010

Gefällt mir: Härtetests.

Wie oft begibt sich unser einer auf die Suche nach dem Funken Wahrheit, der ein Produkt besser macht als das andere?

Zusammen mit leidgeprüften Strategen wälzt man die verschiedensten Optionen und Perspektiven, um schleißlich einen künstlichen USP zu kreieren, dessen Relevanz in Frage zu stellen ist.

Aber oftmals lässt die Marktsituation von Kunden sowie ihre Ziele und Vorstellungen nichts anderes zu.

Umso mehr Respekt habe ich deshalb vor echten Härtetests. Selbst wenn die Konkurrenz etwas Ähnliches beweisen könnte – sie werden immer nur Zweiter sein, wenn sie es denn nachahmen wollten.

Der beigefügte Spot zeigt die Robustheit einer Autobatterie. Selbst als sie von einer Gewehrkugel zerstört wird, behält sie ihre Funktionsfähigkeit.

Dazu der wirklich eingängige Name der Batterie: DieHard.

Das Unternehmen hat sich den „Härtetests“ geradezu verschrieben, wie ihre YouTube-Trackliste zeigt.

Natürlich setzt dieses kompetitive Auftreten voraus, dass die gezeigte Produktleistung samt Inszenierung der Wahrheit entspricht.

Volvo Amerika hatte vor Jahren in einem Spot einen LKW auf das Dach seiner neuen Limousine setzen lassen. Später stellte sich heraus, dass beim Dreh zur Sicherheit nachgeholfen wurde.

Die darauf folgende PR kann man sich vorstellen.

Die Kreativen, die sich über Autobatterien Gedanken machen müssen, scheinen dennoch eine besondere Liebe zu harten Prüfungen zu haben. Ich erinnere mich an einen Cannes-Gewinner-Spot, der aber auch schon längst Staub angesetzt haben dürfte.

Die Story: Ein Geier näherte sich einem total verrosteten Autowrack, das irgendwo neben einem verfallenen Schuppen auf einer verlassenen Wiese vor sich hin gammelte. Das Wrack war schon vom Unkraut überwuchert und besaß keine Glasscheiben mehr.

Der Geier flog erst auf die offene Fahrertür, dann hüpfte er auf das Lenkrad – und flog dann sofort wieder erschrocken davon. Die Hupe gab doch tatsächlich noch einen Laut von sich.

Trotz dieser beeindruckenden Beispiele: immer schön das Licht am Auto ausmachen.



Spot „DieHard Battery vs. the Bullet“ von Y&R Chicago.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Petition: einen Löwen für den Kraken.

Es war Anfang Juni. Es wurde heiss in Deutschland. Und die Menschen gingen lieber ins Wasser des Freibades als vor das Wasser eines Freizeitparkes. Beim Blick der Verantwortlichen des Oberhausener Sea Life Aquariums in ihre leeren Kassen wurde ihnen ganz schwarz vor Augen.

Kein Geld in der Kasse hiess auch, keine Budget für Marketing und Werbung.

Und das zu einem Zeitpunkt, wo die Fussbal-WM erst noch bevor stand. Wo sich also bestimmt keine Sau für einen Fischpark interessieren würde.

Die Marketing-Greten-Frage lautete daher:

Wie bringt man nur zusammen, was eigentlich gar nicht zusammen gehört?

Fussball und Meerestiere?

Die Verantwortlichen überlegten, wer Ihnen da ganz schnell helfen könnte. Sie mussten den intelligentesten Mitarbeiter auf die Sache ansetzen.

Da gab es nur einen. Das war Paul, die Krake.

Kraken gelten als die intelligentesten Weichtiere, wobei ihre Intelligenz mit der von Ratten verglichen wird. Kraken sind in der Regel sehr scheu, jedoch neugierig – und erweisen sich in Versuchen als sehr lernfähig.

Und Paul lernte schnell.

Zwei Gefäße mit je einer Muschel. Dort, wo die dickere, fettere und folglich leckerere Muschel drin war, setzte sich Paul drauf und hob mit seinen Saugnäpfen den Deckel.

Das einzige, was ihm missfiel, waren immer diese geschmacklosen, grellbunten Servietten, die da neben den Muscheln lagen. Mal war die Serviette schwarz-rot-gold. Mal war sie rot-gelb-rot.

Doch Paul trug es mit Fassung, denn seinem Appetit tat das keinen Abbruch.

Je mehr sich Paul auf die dickeren Muscheln setzte, desto mehr Leute standen plötzlich vor seinem Aquarium.

Wie gesagt, Paul lernte schnell.

Daher mein Aufruf: Wer immer sich diese Schwachsinns-Aktion ausgedacht hat, schick sie ein. Zu allen Kreativ-Wettbewerben dieser Welt. In Memory for Paul.

Denn die Geschichte hat auch einen sehr traurigen Teil.

Paul wird seine größte Trophäe gar nicht mehr entgegen nehmen können: den Promo- und PR-Grand Prix in Cannes.

Denn da ist er bereits verschieden.

Kraken werden nur zweieinhalb Jahre alt. Und da Paul schon zwei ist und das nächste Cannes Festival erst wieder in 10 Monaten stattfindet, sieht es schlecht für ihn aus.

Nie wurde mit weniger Aufwand so ein Presserummel erzeugt. Auf den Titelseiten der anerkanntesten Tageszeitungen. Weltweit.

Nie wurde in so kurzer Zeit ein Lebewesen mehr zitiert, obwohl es gar nix gesagt hat.

Nie wurde eine unschuldige Krake gleichzeitig so gehasst und so geliebt.

Und nie wurden mehr Fotos in so kurzer Zeit per Photoshop manipuliert als in der Zeit der Fussball-WM. Und kurz danach.

Ich würde mich deshalb nicht wundern, wenn das Sea Life Aquarium in Oberhausen der Kunde des Jahres 2010 wird.

Und wisst ihr was? Paul hat es vor uns gewusst.



















Eines der meist manipulierten Fotos der Welt: die Vorhersagen der Krake Paul (mit Blick auf den 4. Spieltag glaube ich in diesem Fall mal dran).

Mittwoch, 14. Juli 2010

Zusammengeschnippeltes.

In 10 Tagen geht es los. Laut dem Medienkonzern Google & YouTube. Und laut Ridley Scott. Am Samstag, den 24.7. diesen Jahres kann jeder Mensch etwas filmen, das ihn bewegt. Das er liebt. Wovor er Angst hat. Was er in der Hosentasche hat (witzisch).

Und da isser er wieder, der User Generated Content in Reinkultur.

Jeder Fan (Freund/Follower) von Google und YouTube kann einen Film drehen, dann zu Ridley schicken, der dann den Starregisseur und Oscar-Preisträger Kevin McDonald (Ein Tag im September, München, etc.) die besten Takes zu einem Dokumentarfilm zusammen schnippeln lässt.

Das Googlesche Einerlei wird dann im Januar 2011 auf dem Sundance Filmfestival gezeigt.

Und alle, deren Schnipsel Verwendung fanden, werden als Co-Regisseur aufgelistet. Natürlich nicht ohne die Chance zu bekommen, eines von 20 Tickets für eben jenes Filmfestival zu gewinnen.

Dazu kommen mir drei Gedanken:

1. So eine Filmschnippel-Einsende-Aktion hatten wir doch schon bei der letzten Fußball-WM (oder EM?) vom gleichen Absender.

2. Das Leben an einem einzigen Tag auszugucken, ist vor rund 25 Jahren eine Buchidee gewesen: A Day in the Life of America. Fotografiert von 200 führenden Fotojournalisten.

3. Gähn.




Teaserfilm für die Aktion "Life in A Day" von Google und Ridley Scott.

Montag, 12. Juli 2010

Verkauft kreative Werbung besser?

Das ist die Mutter aller kreativen Fragen.

Was würden wir darum geben, wenn sie mit einem unzweifelhaften Ja beantwortet werden könnte. Und auch die Ausrichter von Wettbewerben hätten am liebsten, dass diese Frage gar nicht mehr gestellt werden müsste.

Phil Thomas, CEO der CannesLions, hat nach dem Wettbewerb (an dem mehr Kunden als jemals zuvor teilgenommen haben und inzwischen 15% der registrierten Teilnehmer stellen) folgendes von sich gegeben:

Immer mehr Kunden wollen besser verstehen, was Kreativität für ihre Marke tun kann.

Ich weiss nicht, in welchem Kontext dieser Satz zustande kam, aber so los gelöst, wie er da steht, klingt er erst einmal absolut dämlich.

Wenn einem Kunden, der im Großraum Marketing arbeitet, nicht klar ist, was Kreativität für seine Marke tun kann, dann sollte er sich einen anderen Job suchen.

Müßig zu erklären, dass die richtige Strategie und eine geniale Idee einer Marke mehr Beachtung, mehr Sympathie, mehr Interesse, mehr Absatz und mehr Sonstwas einbringen können.

Doch das, was Phil Thomas meint, ist eine ganz besondere Kreativität. Es ist die Cannes-Kreativität.

Also Lösungen, die meistens so abseits der Norm sind, dass die Mehrzahl der Kunden sich nicht trauen, solche Ideen zu genehmigen und durchzusetzen.

In der Online-Ausgabe von AdWeek steht dazu ein interessanter Beitrag, der nicht ganz frei von Zündstoff ist.

Der Film Grand-Prix für Old Spice (gehört zu Procter & Gamble – Film siehe unten) hat seit seinem Start im Februar rund 12,2 Millionen Klicks auf YouTube generiert. Ganz zu schweigen von der Pressebeachtung. Doch betrachtet man den Absatzerfolg für das beworbene Produkt, so ging er in einem vergleichbaren Zeitraum um 7% zurück (laut SymphonyIRI – einer Firma, die Verkaufszahlen im Handel registriert).

Auch das Produkt des "Superlöwen" bei PR und Promo, die Aktion „Replay“ für Gatorade, fiel im Verkauf laut den Handelszahlen um 8,2% im vergleichbaren Zeitraum zurück. Kurioserweise behauptet die Agentur, dass er um 63% noch oben ging.

Klar ist, dass Kreativität verkauft. Unklar ist, welche Form von Kreativität. (Das ist übrigens unser aller Glück, sonst wären die meisten von uns HartzIV-Empfänger).

Was bei all diesen Diskussionen gerne übersehen wird: Kommunikation bzw. deren Kreativität ist nur ein Mosaikstein im Erfolg einer Marke.

Packungsdesign, Vertriebssystem, Konditionen und nicht zuletzt: das Produkt selbst sind viel wichtiger. Aber auch viel aufwändiger zu verändern als Kommunikation. Weshalb Agenturen versuchen müssen, in der Bedeutungs-Kette weiter vorne mehr Mitspracherecht zu bekommen.

Du kannst dir die löwenfreundlichste Kampagne ausdenken, wenn das Produkt bzw. sein Erscheinungsumfeld für die Zielgruppe nicht interessant ist, funktioniert die beste Werbung nicht.

Vielleicht ist Old Spice einfach an der Zielgruppe vorbei. Vielleicht wäre eine anders geartete Kreativität besser für die Marke gewesen. Vielleicht stimmen aber auch ganz einfach diese verdammten Zahlen nicht. Ich kenne die Stellung der Marke auf dem amerikanischen Markt nicht, deshalb sind meine Behauptungen völlig hypothetisch.

Ich weiss nur eins: Ich würde mir Old Spice nicht mal als Frostschutz in den Wassertank schütten. Egal, wie kreativ die Werbung daher käme.



Cannes Film Grand-Prix für Old Spice „The man your man could smell like“ von Wieden & Kennedy.



Cannes PR & Promo Grand Prix für Gatorade „Replay“ von TBWA.

Donnerstag, 8. Juli 2010

Deutsches Abteilungsdenken.

Das Unitsystem von Springer & Jacoby hat in der deutschen Agenturlandschaft eine gewisse Berühmheit erlangt. Es wurde damals erfunden, um einen riesigen Agenturdampfer in viele kleine Schnellboote zu verwandeln.

Durch die Schaffung der Units als eigene GmbHs wurde zum einen erwirkt, dass die typischen Hierarchie-Marathons und Wasserkopf-Symptome grosser Agenturen abgeschafft wurden. Und dass die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt wurde – bei gleichzeitiger Erhöhung der Motivation.

Viele Agenturen haben das nachgemacht. Sie haben ihre Abteilungen nur anders genannt.

Man hat das Gefühl, dass der Deutsche generell mehr als andere Volksstämme dazu neigt, alles in Abteilungen zu packen.

Eine andere Ausprägung dieses Denkens erfuhr die Kommunikationsbranche vor rund 10 Jahren, als das – nennen wir es mal – digitale Geschäft ein Bereich der Zukunft auch für klassische Agenturen zu werden versprach.

Viele Agenturen gründeten digitale Units (ob als Abteilung in der Agentur, als eigene GmbH oder als Zukauf einer bestehenden Agentur) und wunderten sich dann, dass a. diese Units nicht richtig aus dem Quark kamen und b. die Zusammenarbeit mit der Klassik nicht funktionierte.

Heute sind die meisten dieser digitalen Abteilungen wieder geschlossen oder in den Bauch des Dampfer wieder einverleibt worden.

Der Denkfehler dabei war, dass der grosse Kreative (und damit die grosse Idee) immer schon ein Generlist war. Er muss sich mit online und offline so beschäftigen wie früher der Print-Kreative mit TV, als das Privatfernsehen aufkam.

Und während die Aufteilung bei S+J (zumindest am Anfang) eine Aufteilung von einem Generalisten-Dampfer in viele kleine Generalisten-Boote war, erschien die Trennung von offline und online Kommunikation als wenn man TV und Print in verschiedene Konzeptions-Abteilungen packt.

Immer wieder nutzen Agenturen die Neukreation von Abteilungen dazu, sich in der Presse zu profilieren nach dem Motto: guck mal, wir können nun auch das. Oder jenes. Oder dieses.

Als ob Kunden darauf abfahren. Im Gegenteil, Kunden denken, dass sie jetzt noch mehr bezahlen müssen oder die Agentur zusätzliches Geschäft angraben will.

Natürlich macht es heute mehr Sinn als jemals zuvor, Leute von verschiedenen Disziplinen zusammen zu führen. Spezial Know How oder die neuesten Entwicklungen kann man als Generalist nicht jederzeit auf dem Radar haben. Aber man muss die Leute kennen oder um sich scharen, die das in ihrer Nische tun.

Nur sollte man sich hüten, alles gleich in GmbHs zu packen.

In der Kreation ist nur eine GmbH von essentiellem Charakter. Die GmbH Idee.

Sonntag, 4. Juli 2010

Fortuna Selbstgefälligkeit – Turbine Teamgeist 0:4

Ich kann Leute verstehen, die Fussball nicht mögen. Es ist eine Massenerscheinung. Und wer mag schon Masse. Speziell in unseren "kreativen Kreisen", in denen Individualität ganz oben an gestellt wird.

Ausserdem gestehe ich gerne zu, dass viele der Fussball Protagonisten mit ihrer geistigen Schlichtheit und ihrem proletenhaften Verhalten manchem Feingeist den emotionalen Zugang zum Spiel deutlich erschweren.

Nichtsdestotrotz gibt es keinen Sport, der die Masse mehr fasziniert und so viele Metaphern fürs Leben liefert wie dieser. Und der auch die intellektuelle Elite eines Landes (vom Philosoph bis zum Staatsführer) in seinen Bann zieht.

Wenn dann schon eine Person wie Annette Schavan, ihres Zeichens CDU Vizechefin und alles andere als Fussball-affin aussehend, den Fussball als Vorbild zitiert, dann zeigt das seine philosophische Kraft in unserer Gesellschaft. Und zugleich die vermeintlich dramatische Hilflosigkeit einer Politikerin vor einem Partei-Scherbenhaufen.

Sie sagte zum Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition: „Politik ist nicht Einzelspiel. Politik ist Mannschaftsspiel. Da können wir vom Fussball lernen – und sollten schleunigst lernen“.

Das Wort Politik kann man bedenkenlos durch das Wort Agentur, Kommunikation oder Kreation ersetzen.

Die Gesellschaft lechzt zwar immer nach Identifikationsfiguren. Ob Beckenbauer im Fussball oder Helmut Schmidt in der Politik. Aber Größen wie diese wussten immer das Team zu pflegen und aufzubauen.

Ihr Team, das dafür gesorgt hat, dass der gemeinsame Erfolg im Mittelpunkt steht und nicht der Glanz des Einzelnen.

Speziell in der Werbung kann man leicht beobachten, wie gute Kreative mit den Jahren des Erfolges der Versuchung erliegen, die Bodenhaftung zu verlieren und sich selbst für den Kreativ-Allmächtigen zu halten. Die Selbstgefälligkeit und Profilierungssucht wird mit jedem Teilerfolg größer. Sie vergessen leider, dass sie nur so "gross" geworden sind, weil ein starkes Team hinter ihnen steht.

Teamgeist ist die Bereitschaft einer Gruppe, ein gemeinsames Ziel zum Star zu machen. Einer für alle, alle für einen – die Oberbinse für dieses Vorhaben.

Wer so lange im Business ist wie ich, der findet es immer wieder interessant zu beobachten, wie so genannte Kreativstars mit ihrem Egotrip die Grundmauern des eigenen Erfolges einreissen. Für Insider gerade wieder in einer größeren Agentur zu beobachten.

Eine der hässlichsten Unsitten aus diesem Ego-Dunstkreis tritt bei Awardshows ins Scheinwerferlicht. Dann nämlich, wenn sich die CDs oder Kreativchefs auf die Bühne begeben, obwohl sie nicht einen Hauch mit der Idee zu tun hatten.

Und diejenigen, die die Idee hatten, müssen unten oder gar zu Hause sitzen bleiben.

Auch ein gewisser Herr Maradonna hat wohl vergessen, dass es neben Messi noch andere Personen geben sollte, die er abknuddelt (übrigens eklig, wer will das eigentlich?). Wie fühlt sich einer in der zweiten Reihe, der vom Coach nicht umarmt wird. Zum Team zugehörig und ihm verpflichtet?

In diesem Zusammenhang möchte ich kurz meine Lieblingsheadline zitieren – aus der argentinischen Presse am Tag nach dem 0:4-Desaster für Argentinien:

"Diego, der Junge heisst Müller".

Gibt es eine brutalere öffentliche Abstrafung für Selbstgefälligkeit?

Schön auch die Vorgeschichte dazu, die sich auf einer Pressekonferenz nach dem Freundschaftsspiel Deutschland - Argentinien (0:1) im März abspielte.

Es mag dabei nur eine zufällige Randbeobachtung sein, dass gerade kleine Menschen zum erhöhten Selbstdarstellungsdrang neigen.

Aber vergessen wir das wieder.

Natürlich ist das überdurchschnittliche Talent Einzelner immer eine wichtige Voraussetzung, damit ein Team erfolgreich ist. Doch was wäre Beckenbauer ohne Schwarzenbeck, Netzer ohne Wimmer, Schumacher ohne Todt und überhaupt alle ohne ihr Team gewesen?

Als Unternehmenslenker muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass man den Teamspirit im eigenen Laden hoch hält.

Teamspirit heisst aber auch, dass die Teammitglieder nicht darauf warten, was der Coach ihnen sagt, sondern dass sie den Einsatz bringen, der erforderlich ist, um das Ziel zu erreichen.

Selbstlosigkeit statt Selbstgefälligkeit.

Selbstlosigkeit ist eine Eigenschaft, die sehr sehr lange ganz unbeobachtet bleiben und einen Einzelnen sehr schnell unzufrieden machen kann, wenn er keine Bestätigung erfährt. Daher auch so schwierig zu entwickeln. Aber eine der besten Eigenschaften überhaupt.

In der eitlen Kommunikationsbranche so gut wie nicht vorhanden. Denn das gehört vermeintlich nicht zum Geschäft.

Tue Gutes und rede auch gleich drüber.

Ich glaube, dass ist einer der größten Denkfehler unserer Branche, wenn man an nachhaltigem Erfolg interessiert ist.

Wer täglich nur noch über seine Peanuts-Erfolge redet, weil er meint, die Welt muss es wissen, der steht am Anfang vom Ende. Weil irgendwann keiner mehr zuhört, wenn er wieder mal einen größeren Erfolg vorzuweisen hat.

PS: Write the future. Die große Kampagne von Nike zur WM. Wie postete mein Freund Stefan Schmidt neulich auf Facebook: das ist die beste Kampagne für adidas. Keiner der Nike-Stars, die für die Kampagne „Zukunft schreiben" sollten, ist im Halbfinale noch dabei.