Sonntag, 30. Januar 2011

Der Kolbenfresser im Award-Getriebe.

Ein befreundeter Creative Director erzählte mir neulich beim Lunch, dass er einen neuen Etat von einem anderen CD in der Agentur übernommen hat.

Er wurde von besagtem Kunden mit den Worten begrüßt: „Kommen Sie auch nur vorbei, wenn es um Medaillen geht oder können wir mit Ihnen auch mal über unsere Tagesarbeit reden?“.

Diese Begebenheit charakterisiert das Dilemma, in dem sich Agenturlenker heute befinden.

Es ist eine Leier, die besonders in diesem Blog ziemlich abgenudelt ist, aber für den Unkundigen sei dem Verständnis zu Liebe kurz erklärt, dass Awards für viele Agenturen ein zentrales Image-Instrument sind.

Zum einen, um über die Presse, die permanent Rankings und Awards thematisiert, als kreative Agentur im Gespräch zu sein (ich will mich gar nicht beschweren, wir selbst haben dieses Jahr besonders davon profitiert).

Zu anderen aber auch, um bessere Mitarbeiter zu bekommen. Gute Kreative (aber durchaus auch gute Berater) gehen lieber zu einer Agentur, die für „geile Kreation“ bekannt ist.

Nun wissen wir alle, dass diese „geile Arbeit“ zu 70% aus künstlicher Kreation besteht.

Arbeiten, die speziell für Wettbewerbe erstellt werden. In welcher Kombination auch immer (auf echten Briefings oder auf selbst initiierten Briefings bzw. Kundenkontakten).

Ich nenne letzteres gerne „Schwulen-Sauna-Kreation“ (weil es mal eine Goldmedialle für eine Anzeige einer Schwulen-Sauna gab).

Ganz klar, Awards sind ein hoch drehender Motor für eine Agentur wie unsere, weil sie Mitarbeiter motivieren. Besonders in der Kreation.

So bringen diese Mitarbeiter viel Energie für ihre Goldideen auf. Viel Energie heisst auch viel Zeit. Was dazu führt, dass die von Awards ganz besonders betörten Kreativen ihr Tagesgeschäft allzu pragmatisch abbacken. Im schlimmsten Fall (siehe oben) interessiert es sie gar nicht.

Je mehr Betörtheit in einer Agentur vorherrscht, desto größer die Gefahr des Kolbenfressers.

Das, womit eine Agentur ihr Geld verdient (und übrigens auch die Goldjungs), wird nachlässig bearbeitet. Besonders fatal, weil ich der Überzeugung bin, dass viele Briefings mit mehr Engagement und Durchhaltevermögen auch bessere Ideen zulassen würden.

Doch Durchhaltevermögen heisst Zeit. Und natürlich verbringen professionelle Goldjäger ihre kostbaren Kreativminuten lieber mit Projekten, auf denen sie größere und leichtere Awardchancen sehen.

Als Agenturchef kann man nur darauf achten, dass die Balance in den Teams stimmt. Und die Feststellung, dass der Kreations-Motor an Überhitzung leidet, nicht dem Kunden überlassen muss.

Die hohe Kunst einer Agentur ist immer noch, auf echte Briefings Ideen zu produzieren, die für den Kunden die gewünschte Wirkung erzielen. Und wenn es ideal läuft, gewinnen diese Ideen auch noch Preise.

Sonntag, 16. Januar 2011

Über die Qualität einer Agentur.

Das Wort, um das es heute geht, steht in 99% aller Briefings, die man von Kunden bekommt. Es ist der Begriff, der uns auch als Privatmenschen die Produkte und Leistungen beurteilen lässt, die wir tagtäglich in Anspruch nehmen. Es bringt Kreative an den Rande der Verzweiflung, wenn sie mal wieder darüber was schreiben sollen. Es ist das Buzzword unserer Branche.

Es heisst: Qualität.

In einem Land wie Deutschland überlässt man Qualität natürlich nicht dem Zufall. Da ist die ISO-Norm inzwischen in vielen Bereichen allgegenwärtig.

Qualität scheint für Leute wie uns vermeintlich leicht definierbar zu sein, wenn man über Schrauben redet. (Würde man sich intensiver damit beschäftigen, so stellt man sicher fest, dass es auch da enorme Qualitätsunterschiede gibt).

Doch es irren all diejenigen, die denken, Qualität ist ein objektiv messbarer Zustand.

Qualität ist ein Maßstab der individuellen Wahrnehmung und Erwartung jedes einzelnen Kunden. Für den einen ist ein Dacia für 9.999 Euro gute Qualität. Für den anderen ein Schrotthaufen.

Hat man als Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen erst einmal verstanden, dass die Qualität der eigenen Ware von der Beurteilung der Kunden abhängt, ist man einen wichtigen Schritt weiter.

Auch als Agentur.

Wie definieren Kunden die Qualität einer Agentur? Gibt es einen größten gemeinsamen Nenner?

Ist Kreativität die Messlatte? Der Erfolg der Werbung? Die Servicebereitschaft der Agentur?

Worauf legt man als Chef den Focus?

Mit Kreativität meine ich nicht die Award-Kreativität, sondern ich meine den unbedingten Willen, eine Aufgabe so kreativ und ungewöhnlich zu lösen, dass sie den Job erledigt. Ganz unabhängig davon, wie man den persönlichen Geschmack, die internen politischen Abläufe und die Erwartung des Kunden einschätzt.

Konkretes Beispiel: Ich nehme an einem Pitch teil und präsentiere ein Konzept, von dem ich überzeugt bin, das es das Briefing 100% erfüllt, aber eventuell nicht nach dem Geschmack des Kunden ist (z.B. zu provokant, zu polarisierend, zu weit weg vom Produkt, etc.). Ich erhöhe damit das Risiko, den Auftrag nicht zu bekommen.

Mit Erfolg von Werbung meine ich, dass man alles tut, um die Erwartungen des Kunden (und damit häufig auch die Erwartungen der Marktforschung) zu bedienen. Das kann heissen, Konzepte zu entwickeln, die nicht der eigenen kreativen Ideallinie entsprechen.

Konkretes Beispiel: Ich nehme an einem Pitch teil und bin mir sicher, dass eine Testimonial-Kampagne im Testdesign der Marktforschuung sehr erfolgreich abschneiden wird. Also entscheide ich mich für dieses Konzept, obwohl die Kampagne kreativ nicht meinen Erwartungen entspricht. Doch ich will den Auftrag unbedingt haben.

Mit Servicebereitschaft meine ich, dass man als Agentur alles daran setzt, auf die spezifischen Eigenheiten des einzelnen Kunden einzugehen. Das kann pünktlich liefern sein (egal, ob man von der Arbeit bis dahin überzeugt ist), immer freundlich sein (auch wenn man ungerechtfertigt eins in die Fresse bekommt) und das kann vor allem die internen politischen Verhältnisse wahrnehmen sein. Wer diese immer berücksichtigt, glaubt, sich so den Goodwill des Kunden zu sichern.

Konkretes Beispiel: Ein Kunde ist entscheidungsunsicher und lässt für ein Briefing so viele verschiedene Alternativen entwickeln, damit er sich nicht festlegen muss. So hat er vor seinem Chef alle Optionen offen (die CMA-Strategie - cover my as). Obwohl das in der Agentur zu Frustration, Ineffizienz und Widersprüchen führt, versucht man dem Kunden das Gewünschte zu liefern.

Viele Leser werden jetzt denken, als Agentur versucht man natürlich, alle drei Kriterien zu erfüllen.

Die Zufriedenheit eines Kunden kann ja auch darin bestehen, dass er von einer Agentur erwartet, seine Erwartungen gerade nicht zu erfüllen, sondern ihn positiv zu überraschen.

Hier sind wir wieder beim Kernpunkt. Jeder einzelne Kunde definiert Qualität anders.

Ob ich ein Auto kaufe oder eine Agentur beauftrage, als Kunde habe immer eine ganz persönliche Erwartungshaltung.

Für Agenturlenker gilt es, nicht nur diese Erwartungshaltung herauszufinden, sondern sie auch mit der eigenen Qualitäts-Philosophie abzustimmen.

Die entscheidenden Kriterien sind:

1. Zu akzeptieren, dass Kunden die Qualität definieren und herauszufinden, was ihre individuellen Anforderungen sind (permanente Kundenorientierung).

2. Diese Qualität so zu liefern, dass man vor seinem Spiegelbild noch bestehen kann (Authentizität).

Nur wer als Kreativer eine Qualität liefert, mit der er – im Großen und Ganzen – selbst zufrieden ist, kann über die Langstrecke ein ernsthafter Gesprächspartner für Kunden bleiben.

Wer großes Glück und Geschick hat, der legt größeren Wert auf Zustand 2 und kann damit Zustand 1 erfüllen.

Diese Erkenntnisse sind nun beileibe keine Wissenschaft. Aber der Jahresanfang ist eine gute Gelegenheit, mich selbst daran mal wieder zu erinnern.

Donnerstag, 6. Januar 2011

Augenschmaus.

Es gibt Filme, die sind einfach nur überragend gut gedacht und gemacht. Besser kann man die Stärke eines Produktes nicht zeigen, ohne das Produkt zu zeigen.

Extraklasse inside.



Film „The Chase“ für Intel. Agentur: Venables Bell & Partners, San Francisco.

Montag, 3. Januar 2011

Kommunikation 2011 – worum geht's?

Die sozialen Medien können einen alten Hasen wie mich schon verrückt machen. Immer wieder neue Links zu Beiträgen von hochrangingen digitalen Hellsehern, die der Werbung und den Werbeagenturen einen baldigen Untergang prophezeien.

Es geht nicht mehr um Kampagnen, es geht um Kommunikationsplattformen, um Marketing- und Produktideen. Es geht nicht mehr darum, den Verbraucher zu belehren, sondern ihn einzubinden und zu nutzen.

Gähn. Verstanden. Längst.

Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob die durchaus geachteten Fachleute, die das verkünden (meistens Vertreter der digitalen Zunft), mit dieser förmlich herbeigesehnten Apoklaypse nur ihrem Kerngeschäft noch mehr Bedeutung verleihen wollen.

Nutzen wir also den Jahresstart zu einer Grundsatzfrage: Worum geht es in unserem Job?

Es geht darum, relevante Botschaften für Marken zu erarbeiten und sie in den richtigen Kanälen so zu den Zielgruppen zu transportieren, dass die sich damit auseinandersetzen. Je besser die Idee, desto besser klappt dieser Transport.

Dann schafft man es sogar, dass die Zielgruppen die Botschaft in ihren Netzwerken weiter verbreiten. Und sich in den Dialog mit der Marke begeben.

Diese "Botschaften" können in Zukunft sicher auch häufiger Markt-, Marketing- und Produktideen oder das Produkt begleitende Ideen sein – statt nur der stumpfe Einsatz von Plakaten und Anzeigen.

Aber auch das ist keine neue Erkenntnis.

Als Erfinder von Ideen und Konzepten müssen wir uns in Zukunft vielleicht noch stärker als bisher damit beschäftigen, wie man die Zielgruppe wirklich „trifft“. Wir dürfen das nicht mehr der Media allein überlassen.

Mit welcher Botschaft. An welchem Ort. Zu welcher Zeit. Und: mit welchem Potential an Vernetzung (manche Aufgaben "wollen" gar keine Vernetzung, sondern nur Verkündung). Wer da noch zwischen online und offline unterscheidet, der hat in der Tat ein Problem. Ich kenne aber eigentlich keinen, der das noch tut.

So gehe ich also mit dem Vorsatz ins neue Jahr, mich von den digitalen und sozial-medialen Apokalyptikern der Kommunikation nicht verrückt machen zu lassen.

Das erste, was mir dieses Jahr an auffälliger Kommunikation begegnete, ist den auch ein ein ganz simples Plakat, über das der aktuelle Spiegel (auf Seite 137) berichtet.

Tja, das gute alte Plakat.

Mit einer starken Idee schafft es auch ein Dinosaurier der Werbemaßnahmen noch in diverse Blogs und Online-Foren.

Als wenn wir das nicht alle schon längst wüssten.

Frisch ans Kreieren. Ich wünsche Euch gute Ideen.




















Wikileaks. Butterfly doesn‘t. 


Kommunikation für eine Damenbinde von einer kleinen Agentur in Pakistan.

Der kreative Mechanismus ist ein alt bewährter: Stelle mit einem aktuellen Thema auf überraschende Weise einen Bezug zu einem Produkt her und bringe die Idee möglichst zeitnah heraus.