Sonntag, 16. Januar 2011

Über die Qualität einer Agentur.

Das Wort, um das es heute geht, steht in 99% aller Briefings, die man von Kunden bekommt. Es ist der Begriff, der uns auch als Privatmenschen die Produkte und Leistungen beurteilen lässt, die wir tagtäglich in Anspruch nehmen. Es bringt Kreative an den Rande der Verzweiflung, wenn sie mal wieder darüber was schreiben sollen. Es ist das Buzzword unserer Branche.

Es heisst: Qualität.

In einem Land wie Deutschland überlässt man Qualität natürlich nicht dem Zufall. Da ist die ISO-Norm inzwischen in vielen Bereichen allgegenwärtig.

Qualität scheint für Leute wie uns vermeintlich leicht definierbar zu sein, wenn man über Schrauben redet. (Würde man sich intensiver damit beschäftigen, so stellt man sicher fest, dass es auch da enorme Qualitätsunterschiede gibt).

Doch es irren all diejenigen, die denken, Qualität ist ein objektiv messbarer Zustand.

Qualität ist ein Maßstab der individuellen Wahrnehmung und Erwartung jedes einzelnen Kunden. Für den einen ist ein Dacia für 9.999 Euro gute Qualität. Für den anderen ein Schrotthaufen.

Hat man als Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen erst einmal verstanden, dass die Qualität der eigenen Ware von der Beurteilung der Kunden abhängt, ist man einen wichtigen Schritt weiter.

Auch als Agentur.

Wie definieren Kunden die Qualität einer Agentur? Gibt es einen größten gemeinsamen Nenner?

Ist Kreativität die Messlatte? Der Erfolg der Werbung? Die Servicebereitschaft der Agentur?

Worauf legt man als Chef den Focus?

Mit Kreativität meine ich nicht die Award-Kreativität, sondern ich meine den unbedingten Willen, eine Aufgabe so kreativ und ungewöhnlich zu lösen, dass sie den Job erledigt. Ganz unabhängig davon, wie man den persönlichen Geschmack, die internen politischen Abläufe und die Erwartung des Kunden einschätzt.

Konkretes Beispiel: Ich nehme an einem Pitch teil und präsentiere ein Konzept, von dem ich überzeugt bin, das es das Briefing 100% erfüllt, aber eventuell nicht nach dem Geschmack des Kunden ist (z.B. zu provokant, zu polarisierend, zu weit weg vom Produkt, etc.). Ich erhöhe damit das Risiko, den Auftrag nicht zu bekommen.

Mit Erfolg von Werbung meine ich, dass man alles tut, um die Erwartungen des Kunden (und damit häufig auch die Erwartungen der Marktforschung) zu bedienen. Das kann heissen, Konzepte zu entwickeln, die nicht der eigenen kreativen Ideallinie entsprechen.

Konkretes Beispiel: Ich nehme an einem Pitch teil und bin mir sicher, dass eine Testimonial-Kampagne im Testdesign der Marktforschuung sehr erfolgreich abschneiden wird. Also entscheide ich mich für dieses Konzept, obwohl die Kampagne kreativ nicht meinen Erwartungen entspricht. Doch ich will den Auftrag unbedingt haben.

Mit Servicebereitschaft meine ich, dass man als Agentur alles daran setzt, auf die spezifischen Eigenheiten des einzelnen Kunden einzugehen. Das kann pünktlich liefern sein (egal, ob man von der Arbeit bis dahin überzeugt ist), immer freundlich sein (auch wenn man ungerechtfertigt eins in die Fresse bekommt) und das kann vor allem die internen politischen Verhältnisse wahrnehmen sein. Wer diese immer berücksichtigt, glaubt, sich so den Goodwill des Kunden zu sichern.

Konkretes Beispiel: Ein Kunde ist entscheidungsunsicher und lässt für ein Briefing so viele verschiedene Alternativen entwickeln, damit er sich nicht festlegen muss. So hat er vor seinem Chef alle Optionen offen (die CMA-Strategie - cover my as). Obwohl das in der Agentur zu Frustration, Ineffizienz und Widersprüchen führt, versucht man dem Kunden das Gewünschte zu liefern.

Viele Leser werden jetzt denken, als Agentur versucht man natürlich, alle drei Kriterien zu erfüllen.

Die Zufriedenheit eines Kunden kann ja auch darin bestehen, dass er von einer Agentur erwartet, seine Erwartungen gerade nicht zu erfüllen, sondern ihn positiv zu überraschen.

Hier sind wir wieder beim Kernpunkt. Jeder einzelne Kunde definiert Qualität anders.

Ob ich ein Auto kaufe oder eine Agentur beauftrage, als Kunde habe immer eine ganz persönliche Erwartungshaltung.

Für Agenturlenker gilt es, nicht nur diese Erwartungshaltung herauszufinden, sondern sie auch mit der eigenen Qualitäts-Philosophie abzustimmen.

Die entscheidenden Kriterien sind:

1. Zu akzeptieren, dass Kunden die Qualität definieren und herauszufinden, was ihre individuellen Anforderungen sind (permanente Kundenorientierung).

2. Diese Qualität so zu liefern, dass man vor seinem Spiegelbild noch bestehen kann (Authentizität).

Nur wer als Kreativer eine Qualität liefert, mit der er – im Großen und Ganzen – selbst zufrieden ist, kann über die Langstrecke ein ernsthafter Gesprächspartner für Kunden bleiben.

Wer großes Glück und Geschick hat, der legt größeren Wert auf Zustand 2 und kann damit Zustand 1 erfüllen.

Diese Erkenntnisse sind nun beileibe keine Wissenschaft. Aber der Jahresanfang ist eine gute Gelegenheit, mich selbst daran mal wieder zu erinnern.

2 Kommentare:

Carmen Sieverding hat gesagt…

Wie wäre ein dritte Variante in der Kunde und Agentur über sich hinauswachsen und gemeinsam Qualität immer wieder neu definieren weil sich Zielgruppe, Wettbewerb, Mediennutzung etc. kontinuierlich entwickeln und damit auch die Qualität von Kommunikation.

Zschaler hat gesagt…

Qualität permanent zu hinterfragen, ist keine Variante, sondern eigentlich Voraussetzung für Punkt 2. Aber oft nur ein Lippenbekenntnis.