Donnerstag, 31. März 2011

Keine Zeit ist Geld.

Es gibt Bilder, da laufe ich mit einem Hygienehut und einem weissen Schutzmantel durch eine Fertigungshalle für Bonbons. Andere zeigen, wie ich neben einer riesigen Produktionsstrasse für die Fertigung von Tiefkühlpizzen stehe. Oder in einem nagelneuen – und damals noch geheimen Automobil – auf einer firmeneigenen Teststrecke sitze. Unvergessen bleibt mir auch die Weihnachtsmänner-Produktion in einer Schokoladenfabrik an einem heissen Juli-Tag. Oder der Besuch einer Montagehalle für Fernsehapparate.

Und natürlich bleiben mir die vielen Gespräche mit Vertriebsleitern, Ingenieuren, Designern, Produktentwicklern, Produktionsleitern, Verkäufern und Fließbandarbeitern in Erinnerung.

Die oben skizzierten Bilder waren meistens nicht sehr imageträchtig für mich. Sicherheitsschuhe und Haarnetze sind nicht besonders vorteilhaft für die Figur.

Aber der Entstehung der Bilder lag eine absolut sinnvolle Tätigkeit einer Agentur zu Grunde. Wissen und Eindrücke über ein Produkt oder eine Marke vor Ort zu sammeln.

Und zwar Wissen, dass sich nicht nur aus dem Fundus der Marketingleute generiert, sondern auch aus dem der Menschen, die Produkte oder Marken entwickeln, herstellen, betreuen, reparieren, verwalten oder verkaufen.

In Gesprächen mit diesen Menschen liegen häufig die besten Strategien oder Ideen versteckt.

Kreative sind deshalb Kreative, weil sie vielleicht etwas anders denken als andere Menschen. Und deshalb auch mit Äußerungen oder Bemerkungen von Nicht-Marketingfachleuten etwas anderes assoziieren. Im Idealfall einen Strategie- oder Kampagnenansatz.

Die besagten Bilder von oben sind ziemlich in die Jahre gekommen. Und es gibt wenig neue.

Der Grund dafür ist: keine Zeit.

Eine derartige Wissensbetankung ist richtig Aufwand für die Agentur. Und natürlich auch für den Kunden.

Zum Beispiel die entsprechenden Leute in der Firma motivieren und die Termine organisieren. Wenn die Gespräche im Rahmen einens Pitches stattfinden sollen, dann das Ganze gleich 3 bis 6 mal (je nachdem, wie viele Agenturen eingeladen sind).

Bei dem heutigen Investoren- und Kosten-Druck, dem reduzierten Personalkapazitäten und der rasanten Verkürzung von Produktions- und Abstimmungsprozessen ist so ein Wissensgenerierungs-Luxus kaum noch drin.

Dazu kommt, dass der Personalwechsel im Marketing in immer kürzeren Perioden erfolgt. Somit auch die Agenturfrage bzw. die Pitchrhythmen. 

Welcher Designer von Automobilen oder Produktionsleiter von Schokoriegeln hat schon Lust, sich alle paar Wochen mit verschiedensten Agenturfuzzies zu unterhalten?

Da hilft selbst ein Pitchberater nicht, denn er kann zwar den Agenturauswahlprozess und das Briefing sowie den Pitch selbst betreuen. Aber in der Firma herumführen und die richtigen Leute organisieren, dass kann auch er nicht.

Diese Entwicklung hat fatalistische Züge bekommen, denn manchmal erscheint es dem ein oder anderen Marketingschaffenden wichtiger, in zwei Wochen eine neue Kampagne aus dem Boden zu stampfen (die dann mit zig Millionen unters Volk gebracht werden soll), als für etwas mehr Zeit und Budget zu kämpfen, um den Kampagnenerfolg mit der nötigen Sorgfalt vorzubereiten.

Erst letztes Jahr habe ich einen Pitch erlebt, in dem der Kunde sich sogar vehement dagegen gewehrt hat, dass man sich mal mit ein paar Fachleuten in seiner Firma unterhält, um sich in einem komplexen Thema mehr Know How zu erarbeiten. Stattdessen bekamen wir einen dicken Aktenordner mit Informationen auf den Tisch geknallt. Und einen Präsentationstermin. Friß oder stirb.

Ich habe bis jetzt keine Kampagne für die Marke gesehen.

Eine Kampagne in zwei oder drei Wochen für eine Marke zu entwickeln, die man überhaupt noch nicht kennt, ist eigentlich nicht möglich. Wenn es eine Agentur seriös angehen will.

Wird aber trotzdem immer häufiger gemacht.

Man kann natürlich auf einen Glückstreffer hoffen. Was aber nur eine hilflose Verlegenheitslösung ist.

Der beste Weg ist immer noch, den kreativen Erfolg mit allen nur erdenklichen Informationsquellen so wahrscheinlich wie möglich zu machen.

Schließlich ist dieser Aufwand immer noch günstiger für eine Marke, als ein Jahr kommunikative Erfolglosigkeit. Und als einige Werbemillionen später gleich wieder die nächste Kampagne in Auftrag zu geben.

Freitag, 11. März 2011

Buyout Gezocke

Das Thema kann zum Krebsgeschwür werden. Wer im Bereich Foto, Film oder Funk auf Agentur- oder Kundenseite tätig ist, hat Buyouts in steter Regelmäßigkeit an der Backe.

Mit den Buyouts werden Nutzungsrechte für die Veröffentlichung über einen bestimmten Zeitraum in bestimmten Medien abgegolten. Die Rechte der Fotomodelle, der Sprecher, der Schauspieler, aber auch der Fotografen, der Komponisten und der Regisseure.

In Zeiten von Web 3.0 ist eine faire Behandlung des Nutzungsrechtes gerade räumlich und zeitlich eine echte Herausforderung.

Es ist ein prägnanter finanzieller Unterschied, ob man die Buyouts für ein Land und einen Medienkanal (z.B. TV) verhandelt oder für „all time, all media, all countries“.

Ein guter, aber noch unbekannter (Haupt-) Darsteller erhält für eine Rolle in einem TV-Spot um die 1.000 Euro. Will man sich die Buyouts für TV und Internet in Deutschland für ein Jahr sichern, kommen noch mal rund 250% bis 300% oben drauf. Also 2.500 bis 3.000 Euro.

Möchte man die gleiche Medien-Kombi weltweit einkaufen, landet man je nach Verhandlungsgeschick so zwischen 15.000 und 30.000 Euro. Wie gesagt, für ein Jahr.

Es klingt gerecht, wenn ein Darsteller, Komponist oder sonstiger Künstler für seine Leistung, die von den Marken genutzt wird, um den Absatz zu steigern, eine gesonderte Vergütung für die Nutzungsrechte erhält.

Das Ganze kann aber zum Märtyrium für Agentur und Kunden werden, wenn eine Kampagne sehr erfolgreich läuft – und über den verhandelten Zeitraum hinaus eingesetzt werden soll.

Bei den Nachverhandlungen werden aus einigen Künstlern plötzlich rüde Zocker.

Sie vergessen jedoch, dass der Erfolg der Kampagne auf der starken Idee einer Agentur und auf dem Mediageld, mit dem der Kunde diese Kampagne bekannt gemacht hat, basiert. Natürlich kann auch ein guter Darsteller oder eine gute Musik ein Werbemittel besonders gut funktionieren lassen, aber dafür hat man die betreffenden Künstler ja auch ausgewählt. Und beim Kunden vielleicht noch besonders hart dafür gekämpft.

Noch unangenehmer wird es für Agenturen, wenn die Eigenwerbung mit ins Kalkül der "Künstler" einbezogen wird.

Wir haben kürzlich eine Rechnung bekommen, weil wir einen Spot auf unserem YouTube-Channel zeigen. Von einem Darsteller, den wir auch noch gegen die Skepsis des Kunden in langen Diskussionen durchgesetzt haben.

Das finde ich – gelinde gesagt – zum Kotzen.

In Zeiten, in denen Agenturen mehr und mehr projektweise bezahlt werden, müsste die eigentliche Idee, also der Ursprung von allem, an erster Stelle ein Buyout erhalten.

Eines der berühmtesten Beispiele ist der Jever-Mann. Dieser Film wurde noch Jahre später eingesetzt, als die Agentur schon längst nicht mehr für den Kunden gearbeitet hat. Und inzwischen wurde der Jever-Mann von anderen neu inszeniert.

Der Darsteller hat sicher fette Buyouts kassiert. Die Agentur hat für ihre Idee, die alles andere überdauert hat und den Absatz föderte, keinen Pfennig mehr gesehen.

Die Damen und Herren Künstler bzw. deren Management sollten in Zukunft vielleicht mit mehr Feingefühl an die Verhandlungen gehen.

Man sieht sich immer zweimal im Leben.

Der oben erwähnte Darsteller, der uns eine Buyout-Rechnung für die Agentur-Eigenwerbung schreibt, wurde uns gerade wieder für ein großes Projekt vorgeschlagen.

Dienstag, 8. März 2011

Kreatives Demokratieverständnis.

Der ADC ist ein Club mit einer Satzung. Einmal im Jahr trifft man sich zu einer Jahreshauptversammlung, auf der Anträge zu Änderungen in dieser Satzung gestellt werden können. Dann wird abgestimmt.

Auf der letzten JHV hat der ADC-Vorstand beschlossen, die Wahl der Jurvorsitzenden nicht mehr als Wahl durchzuführen, sondern die Juryvorsitzenden zu bestimmen.

Dieser Beschluss wurde auf der JHV verkündet und dann wurden die anwesenden Mitglieder gefragt, ob jemand dagegen sei.

Keiner war dagegen. Beschluss durch.

Nachdem dieser Beschluss in die Tat umgesetzt wurde, habe viele ADC Mitglieder erst begriffen, was er bedeutet. Keine Wahl der Juryvorsitzenden eben, so wie es eigentlich in der Satzung steht.

Unmut machte sich beim ein oder anderen breit. Und führte zu einer Petition, die zwei ADC-Mitglieder mit Verve organisiert haben.

Ziel: dieser Beschluss sollte zurück genommen werden.

Ich habe mich dieser Petition angeschlossen – aber halbherzig.

Die Angelegenheit an sich ist aus meiner Sicht nicht so dramatisch, als dass man sich da jetzt groß aufregen muss. Die meisten der zum Juryvorsitzenden bestimmten Kollegen genießen mein vollstes Vertrauen. Wenn sich auch ADC-Vorstände zum Juryvorsitzenden mit bestimmt haben, so hat das zwar ein "Geschmäckle", aber es geht auch nicht die Welt unter. Juryvorsitz ist durchaus anstrengend.

Mir ging es eher um das Prinzip. Beschlüsse sollen satzungsgemäß erfolgen.

Der Petition folgte dann ein e-Mail-Krieg, dessen Niveau – und vor allem Textlängen – mich bereuen ließen, dass ich mich der Petition überhaupt angeschlossen habe.

Die Wortwahl der Kritik am Vorstand war denn auch teilweise sehr unangemessen und überzogen. Man sollte da bei der nächsten JHV einfach noch mal vernünftig darüber abstimmen.

Was jetzt wohl auch geschehen wird (insofern hat die Petition ihr Ziel erreicht).

Gewundert hat bei der ganzen Geschichte nur das Demokratieverständnis vieler Kollegen, die das Abstimmungsvorgehen befürwortet haben.

Argument: jeder hätte ja aufstehen und etwas dagegen sagen können.

Ist Demokratie, wenn man einen Beschluss verkündet und dann fragt, ob jemand dagegen ist?

Oder ist Demokratie, wenn man einen Antrag stellt und dann können die Anwesenden per Handzeichen abstimmen, ob sie dafür oder dagegen sind?

Für mich ist das keine Frage.

Ich denke, es ist viel schwerer, als Einzelner aufzustehen und seinen Unmut kundzutun – und sich gegen den Vorstand zu wenden.

Als seine Hand zu heben.

In der Demokratie habe ich eine Wahl.

Das andere nennt sich Protest.