Samstag, 20. August 2011

Wald rein, Wald raus.

Die Sitten werden rauher in der Kommunikationsbranche. Hubertus von Lobenstein, neuer Agenturpartner von Andre Aimaq in Berlin (Glückwunsch übrigens, lieber Hubertus) hat in seinem Blog unter dem Beitrag "Anatomie einer sinnlosen Niederlage" sehr gut beschrieben, wie sich Agenturen nach einem Pitch fühlen, der scheinbar nur ein Alibi-Pitch war. Subtil gut gebrüllt von Hubertus, die Fachpresse hat es aufgegriffen.

Wenn es der Pitch ist, von dem alle denken, dass er es ist, so habe ich auch von anderen beteiligten Kollegen ähnlich frustrierte und angefasste Kommentare gehört.

Wenn 5 Agenturen zum Pitch um eine sehr große oder bedeutende Marke eingeladen werden und der langjährige Etatinhaber dabei ist, dann sieht es natürlich immer etwas merkwürdig aus, wenn der Etathalter auch danach Etathalter bliebt. Vor allem, wenn es eine peinliche Leider-nur-Zweiter-Standardabsage an alle gibt und Teile des Gremiums bei den Präsentationen gar desinteressiert der Agenturdarbietung lauschen.

Sollte ein Kunde so einen Pitch nutzen, um einfach mal wieder kostengünstig neue und frische Ideen einzusammeln, die dann seine bestehende Agentur umsetzen kann, dann müsste er sich eigentlich fragen, warum er solch einen Schritt überhaupt unternehmen muss.

Die Sitten in bestehenden Agentur-Kunden-Partnerschaften sind allerdings auch rauher geworden. Immer dann, wenn neue Personen auf entscheidende Positionen rücken, wird es für Agenturen ungemütlich. Plötzlich landet man in irgendwelchen Politspielchen, in denen es gar nicht mehr um die eigentliche Leistung der Agentur und um das Wohlergehen der Marke geht, sondern um alte Kunden-Ex-Agentur-Seilschaften, die sich gegenseitig auf den Gipfel verhelfen wollen. Und man als bestehende Agentur da im Weg hängt.

Warum kommt es immer mehr zu solch schamlosen Verhaltensweisen?

Zum einen ist es einfach eine Frage der Erziehung. Es gibt eben Menschen, die haben einfach keine Geschäftsethik, sondern sehen nur ihr eigene Karriere.

Zum zweiten haben wir, die Agenturen, selbst dafür gesorgt, dass  unsere Leistung nicht mehr als etwas Besonderes angesehen wird.

Ich habe es hier schon häufiger erwähnt, aber die massive deutsche Goldideen-Bewegung, mit der Agenturen jetzt schon seit Jahren ihren Kunden (aber auch irgendwelchen fremden Kunden) die besten Ideen nachwerfen (teilweise sogar auch noch produzieren und auf eigene Kosten veröffentlichen), der untergräbt den Respekt vor dem eigenen Produkt.

Warum sollen Kunden noch Hochachtung vor der Schöpfung von Ideen haben, wenn sie die vermeintlich ausgezeichnetsten Ideen nachgeworfen bekommen?

Dieser Prozess muss beendet werden.

In England gibt es diesen Goldideenzirkus nicht. Folge: dort bezahlen Kunden für Agenturleistungen noch ganz andere Preise.

Wir sind immer wieder verblüfft über das Preisniveau in UK – und die Engländer über unser Preisniveau.

Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

Wer seine besten Ideen einfach in die Gegend schickt, der bekommt Gleichgültigkeit zurück.

Fragt sich nun, wie man die Goldideen-Maschine zur Vollbremsung bringt.

Wettbewerbe abschaffen?

Sonntag, 14. August 2011

80% Markenzerstörung. Bis auf Tiernahrung.

Als Kreativer in der Werbung plagen einen ab und an durchaus Zweifel, ob das, was man seinen Kunden empfiehlt, immer das richtige ist:

Auf langfristige Markenbildung zu setzen statt auf den kurzfristigen Abverkaufserfolg.

In solch zweifelhaften Momenten kommen Meldungen gerade recht, die das eigene Denken bestätigen. Es ist nur eine kleine Meldung, aber sie zeigt mal wieder ganz pragmatisch, dass in der freien Marktwirtschaft kein Unternehmensprinzip zu mehr Erfolg führt als das der Marke.

Im Magazin Focus von letzter Woche stand auf Seite 31 die dünne Botschaft, dass für den Chef der Baumarktkette Praktiker ein Nachfolger gesucht wird (weitere Hintergründe hier).

Denkt man an Praktiker, so denkt man an diesen einen Satz:

20 Prozent auf alles. Bis auf Tiernahrung.

Weil die Gänge der Baumarktkette immer leerer wurden, wurde dieser Satz immer häufiger eingesetzt.

Scheinbar zu oft und lange, denn der Handelsriese macht keine Gewinne mehr. Der Chef muss abdanken.

Sieht man dazu die kommunikativen Anstrengungen, welche die Baumarktkonkurrenz um Hornbach und Obi seit mehreren Jahren betreibt, so wundert einen nicht, dass die Rabattschlacht in den Mißerfolg führt.

Hoffen wir, dass der Nachfolger die richtigen Partner hat, um aus Praktiker wieder eine attraktive Handelsmarke zu machen.

Der Bereich ist allemal geeignet, gutes und markenbildendes Zeug zu entwickeln.

Montag, 8. August 2011

Werber? Kreativer? Künstler?

Es gibt viele kreative Köpfe in der Werbung, die in ein anderes Fach streben. In die Fotografie. In die Regie. Und neuerdings auch wieder in die Kunst.

Ich habe „Die Badende“ in der Hamburger Alster nur aus der Ferne Amerikas mitbekommen, aber man las nicht mehr über den Werber Oliver Voss, sondern über den Künstler.

Wenn es sich live so spektakulär dargestellt hat, wie es sich in der Presse liest, kann man Oli nur dazu gratulieren, was er da ins Wasser gelassen hat.

Als ich vergangene Woche mit meiner 14jährigen Tochter durch das Museum of Modern Art schlenderte, fragte sie mich nach ein paar Werken, deren Sinn ihr nicht erkennbar schien:

Wann ist Kunst eigentlich Kunst?

Ich habe versucht, es ihr so zu 
erklären: Kunst ist das Werk von einem oder mehreren Menschen. Es wurde erschaffen, um etwas auszudrücken.

Ohne Auftrag. Aus sich selbst heraus.

Wenn mehrere Menschen sich dafür interessieren oder es gar kaufen wollen, oder wenn Galerien darauf anspringen, dann ist es Kunst.

Zu dieser Ansicht kann man ganz anderer Meinung sein. Und auch das gehört zur Kunst: Polarisierung. Unverständnis. Erfolglosigkeit.

Einer, der sich intensiv mit Werbung und Kunst auseinander gesetzt hat, ist Michael Schirner, ehemals Creative Director der Agentur GGK (so etwas wie der ideelle und spirituelle Vorlagengeber von Springer & Jacoby). Heute ist er Künstler und Kommunikationsdesigner. Wurde früher auch gerne Werbepapst oder der „Beuys der Werbung“ genannt.

"Werbung ist Kunst" hieß sein damals viel diskutiertes Buch.

Laut Wikipedia ist gute Kunst für Schirner solche, die für jeden nachvollziehbar, bis ins letzte Detail logisch klar ist und nur eins braucht: die jeweils richtige ästhetische Methode.

Das ist für einen, der aus der Kommunikation kommt und gelernt hat, klare Botschaften zu versenden, eine ganz natürliche Haltung.

Ich würde mich dieser Meinung tendenziell anschließen, obgleich es immer wieder unklare künstlerische Werke gibt, die einen ästhetisch oder visuell in den Bann ziehen.

Art serving Capitalism. So lautet die Philosophie der Agentur Goodby Silverstein.

Sie behaupten: Art combinded with business is bigger art. Business combined with art is bigger business.

Für den idealistisch eingestellten freien Künstler ist so eine Aussage allerdings der Beginn des Teufelskreises. Wer von der Kunst leben will, muss sie "verkaufen" bzw. so machen, dass sie einen Markt findet. Oder darben.

In den New Yorker Musseen dieser Tage sieht man die „alte“ Kunst (die Miros, Picassos, Ernsts, Kandinskys, Giacomettis, etc.) meistens als Bilder und Bildhauereien.

Die „neue“ Kunst besteht aus räumlichen oder medialen Installation – und könnte in vielen Fällen auch eine Markenbotschaft sein. (Die eingefleischten Goldideen-Jäger dieser Welt kriegen das bestimmt hin, wenn man ihnen freie Markenwahl lässt).

Im Guggenheim Museum hat der deutsche Künstler Hans-Peter Feldmann für seine Werke 2010 einen mit 100.000 Dollar dotierten Preis erhalten – gesponsert von einer Marke namens Hugo Boss.

Diese 100.000 Dollar hat er sich in 1-Dollar-Noten „auszahlen“ lassen und damit einen ganzen Raum „tapeziert“.

Bis in den letzten Winkel hängen in einem seitlichen Raum des Museums, fein säuberlich mit kleinen Pins aufgehängt, eben jene 1-Dollar-Noten. An Wänden und Säulen. Die Aktion wurde vorher mathematisch genau berechnet, so das kein Stückchen weisse Wand sichtbar ist.

Diese Kommunikation im Raum ist einfach überwältigend schlicht.

Was der Künstler damit kommunizieren will? Guggenheim erklärt es.

Der Unterschied zwischen freien Künstlern und Werbern ist der Auftrag. Weshalb Werber von Kunden auch gerne mal „Auftragskünstler“ genannt werden.

„Die Badende“ in Hamburg hat den Auftrag, eine Kosmetikfirma, die die Installation sponsert, ins Gespräch zu bringen. Ob zuerst das Objekt oder der Auftrag zuerst da war, spielt keine Rolle. Auf jeden Fall steht der Sponsor Soap & Glory in der Presse. Ziel erreicht.

Werber sind Kreative, die es verstehen, auf ungewohnte und effektvolle Weise Aufmerksamkeit und Botschaft miteinander verbinden.

Was alle vereint: der Glaube an die Idee und an deren Umsetzbarkeit.

Und der Wille, es auch durchzusetzen.

Wer sich dann Künstler nennen will, soll es meinetwegen tun.

Ich bin und bleibe überzeugter Werbefuzzi.

















100.000 Dollar in 1-Dollar-Noten. Von Hans-Peter Feldmann. Guggenheim Museum New York. Fotografieren war nicht erlaubt.