Montag, 28. November 2011

Shanghai.

Kommunikation kann sich auch für Kommunikationsexperten schnell auf ganz banale Probleme reduzieren. Beispielsweise in einem Land, dessen Sprache man nicht beherrscht.

Wie erkläre ich einem chinesischen Taxifahrer meine Hoteladresse?

Der erfahrene Weltreisende führt für solche Fälle natürlich schon seine Hoteladresse – in chinesischer Schrift auf einem Zettel – mit sich.

Wer jedoch meint, das Problem damit gelöst zu haben, der kann sich täuschen. Was mache ich, wenn der chinesische Taxifahrer auch den chinesischen Zettel nicht versteht?

In China gibt es nicht nur viel mehr Menschen als bei uns, es gibt auch viel mehr Analphabeten. Aus diesem Grund sollte man also erst mal herausfinden, ob der Taxifahrer lesen kann.

Mir wurde empfohlen, dem Taxifahrer besagten Adressenzettel verkehrt herum zu zeigen. Wenn er heftig nickt, weil er natürlich die Fahrt machen will, sollte man wieder aussteigen. Sich in einem 24,8-Millionen-Menschen Ballungszentrum mit einem Taxifahrer, der kein Englisch spricht, zu verirren, kann viel mehr Zeit und Nerven kosten, als sich einen Taxifahrer zu suchen, der den Zettel lesen kann.

Um es vorweg zu nehmen: In China organisiert man sicher besser einen Fahrer, was durchaus nicht so teuer ist, wie es sich anhört. Und man kennt entweder Kollegen, die sich auskennen und einen begleiten. Oder man sucht sich eine chinesische Begleitperson, die der Sprache Englisch einigermaßen mächtig ist.

Sonst kann so ein Aufenthalt mühsam sein. Kein Volk ist in so kurzer Zeit so geschäftstüchtig geworden. Kapitalismus hat auch seine Schattenseiten, wie wir alle wissen.

Der Anlass meines Besuches war der Umzug von Leagas Delaney Shanghai in ein neues Domizil. Vor zwei Jahren im winzigen Treehouse gestartet, residiert die noch kleine Truppe jetzt in einem geschmackvoll renovierten Townhouse im French Quarter. Mit einem herrlichen Rooftop View.

Das Highlight der Firma ist aber nicht die Dachterrasse, sondern der neue Creative Director: Kevin Lee, 45 Jahre. Kevin ist vom Dampfer Ogilvy und einer Truppe von 300 Leuten, die er zu lenken hatte, auf das Schnellboot Leagas Delaney mit einer Truppe von 15 Leuten gewechselt.

Grund: statt kreativer Administrator wieder selbst kreativ sein.

Vor 3 Monaten eingestiegen, hat er seine Ambitionen gleich beachtlich in die Tat umgesetzt. Rechtzeitig zur Launchparty der neuen Agenturräume (Facebook-Freunde können hier die Bilder sehen) pärsentierte er mit seinem Team eine neue Kampagne für die gute alte Toblerone. Eine Aktion, die wirklich Spaß macht und sicher alle Chancen hat.

Marktchancen wie Awardchancen.

Der Idealfall, den jeder ernsthaft gute Kreativer immer wieder herstellen möchte.

Kevin zeigte uns auch noch die Launchkampagne für drei neue Media-Markt-Stores in Shanghai. Ich bin sicher, auch da werden die Kunden und die Szene drüber reden.

In nur 3 Monaten wurde mit 2 Kampagnen ein kreatives Momentum und eine gute Laune in der Agentur erzeugt, die man förmlich greifen kann (na gut, ich gebe zu, die Toberlone Objekte standen auch überall in der Agentur herum).

Das steckt an. Selbst grumpy Zschaler.

Es zeigt wieder einmal, dass sich kreative Häuptlinge noch so viele Maßnahmen für die Stimmung ihrer Indianer überlegen können. Wenn man als Team eine Bomben-Kampagnen entwickelt und rauskriegt, dann ist das immer noch das beste Antidepressiva für alle Mitarbeiter einer Kreativagentur.

Und geschäftsfördernd oben drein.

Eine Kampagne übrigens, die vermutlich auch chinesische Taxifahrer verstehen werden (wenn sie Internetanschkluss haben – was in 90% der Fälle zu bezweifeln ist)

Eingang zum Townhouse der neuen LD Shanghai-Dependance.
Ein Auto aus Toblerone-Packungen.
Schokolade mal anders. Im "Schaufenster" der Agentur.

Die Webseite zur chinesischen Toblerone-Kampagne.
Bau dir dein eigenes Toblerone-Objekt.

Dienstag, 22. November 2011

Fake-Guerilla als Views-Jäger.

Es versetzt viele Kunden immer wieder in Euphorie, wenn sie mit ihren Aktionen auf YouTube die Millionen-Grenze knacken.

Auch für einen Kreativen macht es durchaus große Freude, jenseits der 30-Sekunden-Marke und jenseits der Ängste vor allzuviel breiter Öffentlichkeit, einen Film zu kreieren, der Grenzen überschreitet.

Auf oder für YouTube kann man zwei Dinge tun, die man im Fernsehen nicht tun kann:

1. Sich nicht an enge Zeitvorgaben halten.

2. Provozieren, schockieren oder anzüglich sein.

Dabei kommt es in Mode, einen öffentlichen Guerilla-Event zu inszenieren. Und dann die Reaktionen der Menschen zu filmen.

Wer solch eine Versteckte-Kamera-Aktionen schon mal geplant hat, der weiß, wie hoch das Risiko ist, dass die Reaktionen der Menschen nicht so ausfallen, wie man es sich wünscht. Also besorgt man sich zusätzlich ein paar Statisten und macht den Event zu einem emotionalen Reaktions-Erfolg.

Der Event-Film wird geplant wie ein ganz klassischer Werbefilm. Warum auch nicht, ist ja einer.

Diese Inszenierung kann man natürlich noch weiter treiben, in dem man das, was da an Verbraucheraktionen hervorrufen möchte, auch noch unmöglich erscheint. Wie bei dem Film unten.

Also die Pointe des Events ist im realen Leben so gar nicht so möglich.

Inszenierte Spontaneität.

Motto: Erlaubt ist, was Views bringt.

Den Leuten scheint es zu gefallen. Über 10 Millionen Views spricht für sich.

Freitag, 11. November 2011

Die Anzeige auf dem Produkt.

Klaus Brinkbäumer ist Reporter beim Spiegel. Und Mitglied der Chefredaktion. Somit ist er jede Woche auch mit verantwortlich für den Titel.

Vergangenen Dienstag hat er die Hamburger ADC Sektion besucht und ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert. Unter anderem, wie man einen guten Titel strickt.

Würde man ein Paradebeispiel für investigativen Journalismus suchen, so fiele den meisten von uns wohl der Spiegel ein. Der Satz „Das Sturmgeschütz der Demokratie“ hat das Magazin lange Zeit begleitet. Vor allem, als die Demokratie noch mit dem Kommunismus Kopf an Kopf um die Krone des besseren Lebensmodelles rang.

Inzwischen hat das Zeitgeschehen auch den Spiegel eingeholt. Die kommunistisch regierten Länder befinden sich auf dem Rückzug. Und die digitale Veränderung hat dafür gesorgt, dass das gedruckte Medium nicht mehr den Stellenwert von einst einnimmt.

Trotz all dieser Veränderungen ist der Titel immer noch der Verkaufsfaktor Nummer 1 für ein Magazin wie den Spiegel. Wie für die meisten anderen gedruckten Magazine natürlich auch. Obgleich man sich bei den TV Spielfilms und TV Movies dieser Welt fragt, ob der neue Titel wirklich anders aussieht als der vom letzten Mal.

Klaus Brinkbäumer bezifferte den Unterschied zwischen einem schlechten Titel und einem guten Titel beim Spiegel auf rund 100.000 Exemplare. Bei 4 Euro Verkaufspreis macht das schon ein stattliches Umsatzplus oder Umsatzminus aus.

Da lohnt es sich natürlich, Montag für Montag um die bestmögliche Anzeige zu kämpfen.

Nichts anderes nämlich ist der Titel.

Eine gut gemachte Anzeige für das wöchentlich erscheindende Produkt, welches an der Anzeige gleich mit dran hängt.

Der Titelmacher erzählte denn auch, was ein erfolgreiches Cover ausmacht. Empfehlungen, die uns Werbern, die jahrzehntelang Anzeigen machen, wie die hundertste Wiederholung eines Tatortkrimis erscheinen:

Gekonnte Reduktion.

Bild und Zeile müssen Kino im Kopf auslösen.

Je kürzer die Zeile, desto besser.

Am meisten erfreut Anzeigenmacher wie mich aber diese Aussage: „Ja, der Titel muss fast ein kleines Rätsel aufgeben“.

Wir alle kennen die Argumente unserer Kunden, die bei der Präsentation von anspruchsvoller Ware das glatte Gegenteil behaupten: "Mensch, Herr Zschaler, Verbraucher wollen keine Rätsel in der Werbung".

Der diskussionsgestählte Marketingdirektor wird dann sagen, na ja, der Spiegel hat auch ein anspruchvolleres Klientel als wir. Oder er wird sagen, wer sich für den Spiegel interessiert, tut das auch deshalb, weil er auf dem Titel Rätsel lösen möchte.

So ganz lässt sich das Gegenargument nicht von der Hand weisen. Doch auch Titel kämpfen am Kiosk um die Gunst der Aufmerksamtkeit. Und darum, trotz üppiger Online-Versorgung von einem Verbraucher doch noch in die Hand genommen und gekauft zu werden.

Der Titel ist wie eine Anzeige. Wenn er gut ist, verkauft er viel mehr Exemplare. Mit den Rezepten, die wir seit Jahrzehnten schon kennen. Mit Rezepten, die immer und immer wieder von vielen Marken in ihren Anzeigen missachtet werden.

Der Schlüssel aller guten Titel wie Anzeigen ist: der Kontext.

Der Bezug zur Aktualität.

Das gilt für Medien wie für Marken. Doch er wird von Marken noch viel zu selten eingesetzt.


 


Bild-Logo aus Streichholzköpfen.
Einer der best verkaufenden Titel des Spiegel.
Aber auch einer der umstrittensten.


Einer der Lieblingstitel des Titelmachers.
Kurz nach Fukushima: Das Ende des Atomzeitalters.

Sonntag, 6. November 2011

Follow Nachhaltigkeitspreis.

Am Freitag fand die Gala zur Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises in Düsseldorf statt. Eine gleichnamige Stiftung vergibt seit vier Jahren diesen Preis an Unternehmen, Marken, Produkte, Dienstleistungen und Personen.

Laut Webseite will der Preis Unternehmen in nachhaltigem Handeln bestärken und helfen, die Grundsätze nachhaltiger Entwicklung in der öffentlichen Wahrnehmung besser zu verankern.

Aus über 600 Einsendungen wurde unser Kunde followfish unter die letzten drei Anwärter auf die begehrte „Alukugel“ in der Kategorie „Produkte/Dienstleistungen“ von der Jury gewählt.

Allein die Nominierung ist für unser gemeinsames Projekt eine Sensation. Eine Marke, die es gerade mal 3,5 Jahre gibt, steht auf der Bühne eines hochkarätigen nationalen Wirtschafts-Wettbewerbes. In Konkurrenz zu einer 136 Jahre alten und 125 Jahre alten Marke (Vaillant und Schott).

Hier geht es nicht bloss um kommunikative Ideen, sondern es geht um nachhaltige und zukunftsweisende Produktideen.

Entsprechend hochkarätig die Laudatoren und Preispaten, unter anderem Bundeswirtschaftsministerin Ilse Aigner, Kanzleramtschef Roland Profalla und Hans Dietrich Genscher. Das Rahmenprogramm war garniert mit diversen Größen aus Showgeschäft und CEOs aus der Wirtschaft.

Ich durfte an einer Gala teilnehmen, die sich wie eine gut organisierte „Wetten Dass“-Show anfühlte.

Für die „kleinen Fische“ hat es am Ende im Finale gegen die "großen" Vaillants und Schotts in der Produkt-Kategorie nicht zu Platz 1 gereicht. Natürlich drehen diese Unternehmen größere Produktmengen und dürften in der nachhaltigen Wirkung größere Zahlen aufweisen als followfish.

Doch dieser Preis ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, das Feld von hinten aufzurollen. Nicht mit Lobbyismus und Geld, sondern mit einer Idee.

Wir werden Ende des Jahres das nächste Kapitel aufschlagen, um unseren nachhaltigen Ruf im Lebensmittelmarkt entsprechend nachhaltig zu untermauern: mit Dosenthunfisch.

Der stern hat followfish und seiner neuen Initiative gleich neun Seiten (ab Seite 124) in der Ausgabe vom 3. November gewidmet.

Unser aller Investment, das vor über 3,5 Jahren begann, fängt an sich zu lohnen. Wir haben die Markenidee zusammen mit dem Kunden entwickelt. Und wir haben immer an die Idee geglaubt.

Jetzt setzt sie sich durch.

Das ist geiler als jeder Löwe.

Livestream-Video zur Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises.
followfish-Sequenz ab Minute 89:30.

followfish im stern Nr. 45 vom 3.11.2011, ab Seite 124.