Freitag, 23. Dezember 2011

Vergesst Don Draper.

Das Jahr neigt sich dem Ende. Wieder mal Zeit für ein kleines Resümee.

Was beherrschte mein Tun in diesem Jahr?

Es war der Kampf um Talente.

Als ich in den 90ern bei Jung von Matt als Creative Director anfing, rannten uns die Bewerber förmlich die Bude ein.

Heute ist es genau umgekehrt. Agenturen rennen dem talentierten Nachwuchs verzweifelt hinterher.

Was ist passiert?

Drei Thesen:

1. Werbekommunikation beherrscht heute so omnipräsent unser aller Leben, dass es nichts Besonderes mehr ist, in dieser Branche zu arbeiten.

2. Der Großteil dieser Kommunikation ist plump, penetrant und nervig, dass Talente lieber andere Herausforderungen suchen, um ihre Kreativität zu beweisen (Werbung ist uncool).

3. Die Arbeitsbedingungen in einer Agentur sind nicht so geregelt wie in einem großen Unternehmen, einer Behörde oder einer Ausbildungsstätte.

Und trotzdem:

Es gibt nur wenige Berufe, in denen du so schnell so weit kommen kannst. Es gibt nur wenige Berufe, in denen du auch ohne spezielle Ausbildung Fuß fassen kannst. Es gibt nur wenige Berufe, die solch eine ungeheure thematische Vielfalt bereit halten.

Text, Bild, Foto, Film, Radio, Internet, Kunst, Kultur, Wirtschaft, Psychologie – um nur einige zu nennen.

Du kannst dich selbst verwirklichen. Du wirst deutlich besser bezahlt als Krankenschwestern, Altenpfleger oder Hotelkaufleute (um nur mal drei Berufe zu nennen, die ebenfalls einen hohen Arbeitseinsatz und Überstunden erzeugen).

Du triffst interessante Leute, kannst mit ihnen zusammenarbeiten oder sie beraten.

Du bist inzwischen sogar in der Lage, eine geregelte Work-Life-Balance anzustreben.

Klar ist allerdings auch, wer in diesem Beruf etwas erreichen will, der schafft das nicht mit einem Einsatzwillen, der nur von 9 bis 17 Uhr reicht.

Ideen kommen nicht nach Stechuhr.

Vor lauter Streben um die richtige Work-Life-Balance muss jeder einzelne abwägen, wie viel ihm "Work" noch wert ist – und was er damit überhaupt erreichen will.

Ich kann nur von mir berichten. Mir gibt kreatives Arbeiten immer wieder ganz viel „Life“.

Leider gibt es auch heute noch diese verklärten und selbstgefälligen Kräfte in unserer Branche, die Don Draper mit genialen Kreativen gleichstellen.

Den ganzen Tag Whisky saufen, Rauchen bis zum Herzinfarkt, Essen gehen, kurz mal eine oberflächliche Idee raushauen, erfolgreich sein und seine Frau in der Agentur mit einer anderen betrügen.

Belletristischer TV-Serien-Sulz aus dem Gestern.

Es ist mir völlig unverständlich, wie man heute mit Don Draper als Aushängeschild einer Recruitment Kampagne versuchen will, Nachwuchs in die Werbung zu bekommen.

Die Faszination des Berufes kommt einzig und allein aus der Faszination für Ideen.

Wer in einer Agentur arbeitet, der lernt, welchen Wert und welche Wucht Ideen haben. Du lernst, an Ideen zu glauben. Du lernst, wie man mit Ideen Menschen begeistern und Probleme lösen kann. Du verstehst, dass Ideen ein Vermögen bringen oder es vermehren können.

Ideen sind das Kapital der Zukunft.

Einen guten Start ins neue Jahr.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Es wird zu viel gerotzt.

Mein Thema kommt aus dem Nichts. Es gibt keinen trifftigen Grund, es gerade heute zu posten. Es gibt aber auch keinen trifftigen Grund, es ewig unerwähnt zu lassen.

Es geht um die vermeintlichen Nebenkriegsschauplätze Konzeptbeschreibungen, Präsentationstexte oder Treatments. Auf diesen Nebenkriegsschauplätzen wird gerne mal die Schlacht um die Idee verloren.

Es fällt mir immer wieder auf, wie wenig Sorgfalt viele Texter bei dem wohl häufigsten Teil ihrer handwerklichen Arbeit walten lassen, dem Beschreiben ihrer Ideen.

Diese Texte werden meistens flüchtig hingeschrieben. So, wie es dem Verfasser gerade in den Sinn kommt. Was zu unpräzisen und redundanten Leseerlebnissen führt.

Dabei sind die Gedanken oftmals gar nicht schlecht. Aber sie werden in zu große Mengen verbales Luftpolster gepackt, so dass der Leser ihren guten Kern gar nicht mehr findet. Oder finden will.

Dazu gesellt sich gerne stilistische Holzerei. Texte fangen mit „weil“, „etwa“ oder „statt“ an, was neben der Verständlichkeit auch den Spaß am Lesen kostet.

Es kommen vermehrt Worte wie „gebrandet“, „geforwardet“ oder „gefollowed“ vor. Und die Gedanken werden in mehrzeilige Satzwürmern einfach aufs Papier losgelassen.

Hingerotzt.

Das Unangenehmste sind diese Längen. Sie kosten nicht nur Verständlichkeit, sie stehlen allen Beteiligten ihre Zeit.

Wer wirklich verständliche Texte schreiben will, der muss sich zwingen, über jeden Text noch mal sorgfältig drüber zu gehen. Und dann noch einmal.

Umformulieren, präzisieren und vor allem: kürzen.

Konzepttexte müssen nicht kreativ brillant sein, sondern eine Idee verkaufen. Meistens Leuten, die sowieso schon viel lesen müssen. Einfache Worte und Satzbauten helfen mehr als filigrane Komplexität.

Ein Text, der nach viel aussieht und kompliziert klingt, wird beeindrucken. Ein absoluter Irrglaube. Autoren, die kompliziert texten, wollen entweder ablenken. Oder sind faul.

Nehmt euch also ruhig mehr Zeit für das Überarbeiten eurer Texte, sie wird euch an anderer Stelle erspart bleiben.

Und noch was: Briefings und E-Mails schadet die vorgeschlagene Herangehensweise auch nicht.

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Seltsame Logik.

Es ist Jahresende. Also ist wieder Kreativ-Ranking-Zeit. Und die Kreativ-Chefs der einschlägigen Agenturen dürfen ihre Erfolge kommentieren. Ich durfte unseren Niedergang erklären. Letztes Jahr wie Phönix aus der Asche aufgestiegen. Dieses Jahr wieder in die hinteren Ränge verwiesen worden.

Herrje, wie konnten wir es nur soweit kommen lassen?

Wie jeder Goldideen-Profi weiß, muss man eben immer einige Extraschippen drauflegen, um die Menge an Ideen abseits des Tagesgeschäftes herzustellen, die für die Top 10 nötig sind.

Da haben wir dieses Mal einfach andere Prioritäten gesetzt. Uns war nach dem überraschenden Erfolg vom letzten Jahr von vornherein klar, dass wir wieder abfallen werden.

Da wir wissen, was wir können, stürzt uns das nicht in Depression.

Wer im Goldideen-Marketing erfolgreich sein will, muss zur entsprechenden Investition in Zeit-, Personal- und Produktionsmittel bereit sein. Und da reden wir hier schnell von sechsstelligen Beträgen.

Deshalb bin ich einigermaßen erstaunt über die neue Logik der Presse – und auch einiger weniger Kollegen. Ein Horizont-Kommentar sagt: „In Zeiten von Social Media und Kanälen, die direkt auf gewisse Kundengruppen zugeschnitten sind, erreichen auch kleine Kampagnen ihre Öffentlichkeit. Kampagnen, die vielleicht nicht von einer Marketingabteilung gebrieft worden sind, sondern auf Initialzündung der Agentur basieren, finden nicht mehr nur im Nachtprogramm eines winzigen Nischensenders statt“.

Das nimmt der Goldidee also ihren Zombie-Charakter?

So ein Humbug.

Einige scheinen immer noch nicht verstanden zu haben, dass der ultimative Gradmesser unserer Branche nicht der sein kann, wie viele Goldideen eine Agentur zu produzieren in der Lage ist. Das Goldideenmarketing (egal ob fürs Nachtprogramm oder Facebook) trägt massiv dazu bei, dass Agenturen ihre kreative Leistung für umme verschleudern. Und damit macht man schlichtweg sein Geschäft kaputt.

So hat Jean-Remy auch ganz klar formuliert, dass der personelle wie finazielle Aufwand, den seine Agentur für Goldideen-Marketing betreibt, ein großer Teil des Erfolges ist.

Wenn aber der freiwillige Einsatz von Zeit, Personal und Geld für größtenteils nicht beauftragte Arbeiten die kreativen Fähigkeiten von Agenturen in der Öffentlichkeit bestimmen, dann ist das Wettbewerbsverzerrung.

Darüber braucht man sich aber nicht mehr aufzuregen, weil diese Tatsache inzwischen jeder halbwegs normale Marketingentscheider kennt.

Aber wir sollten bitte nicht damit anfangen, diese Entwicklung schönzureden, nur weil Social Media die selbstgemachten Goldideen unter mehr Leute bringt als die 1/1-Seite in der Szene Lübeck.