Samstag, 31. März 2012

Der kreative Alltags-Effie.

Eine Idee zu produzieren ist etwas anderes als Schrauben oder Glühbirnen.

Jede Form von Industrie- oder Serienprodukt unterliegt meistens genormten Arbeitsprozessen, bei denen sich Material- und Maschineneinsatz zusammen mit dem Personalbedarf in ein Verhältnis zum Produktergebnis setzen lassen, das sich „rechnet“.

Sonst würde das nicht hergestellt. Zumindest nicht über einen längeren Zeitraum.

Bei der Ware „Kreativität“ ist das sehr viel weniger eindeutig.

Kunden wünschen sich von Agenturen die geniale Idee, um ihre Marke erfolgreicher zu machen (bessere Wahrnehmung, besseres Image, bessere Verkäufe, etc.).

Im Gegensatz zur Schraube stellen Agenturen ihr Produkt fast ausschließlich mit einem Netzwerk von Personen her. Menschen, Individuen, Freigeistern, Exzentrikern, Egomanen. Leute, die nicht gerne für Standardware stehen wollen (je nachAgenturtyp kann das natürlich variieren).


Wie lange es dauert, bis das gewünschte Produkt steht, ist nicht genau vorherzusehen.

Agenturen müssen deshalb in ihrer Kostenkalkulation mit diesem uneindeutigen Entwicklungszeit-Korridor umgehen. Meistens über irgendeine Form der Pauschale.

Wenn die Kreation oder auch andere Bereiche mehr Stunden auf einer Idee verbringen als die pauschale Vereinbarung abdeckt, ist die Idee erst mal kein Geschäft mehr.

Agenturen, denen das kreative Ergebnis nicht so wichtig ist, stellt sich das Problem eher weniger. Agenturen, denen das kreative Ergebnis sehr wichtig ist, immer häufiger.

Durch die zunehmend angestrengte Kostensituation wird es eine immer größeren Herausforderung, die Personal-Ressourcen zu planen.

Besonders im kreativen Bereich.

Dabei scheint es ganz einfach.

Man kann die Jobs nach einem weit bekannten Erfolgsschema einteilen (theoretisch kann das jeder für sich selbst).

Es gibt Jobs, die „weniger wichtig“ oder „sehr wichtig“ sind. 
Und es gibt Timings, die „weniger dringend“ oder „sehr dringend“ sind.

Daraus lässt sich ein Quadrant bilden:


Kreative arbeiten gerne auf Jobs, die Ihnen persönlich den größten Spaß bringen. Wogegen erst einmal nichts einzuwenden ist.

Diese Jobs sind im heutigen Agenturalltag meistens solche, die eher als kreatives Goodie und Motivation der Mannschaft gesehen werden, denn als wirtschaftlich relevanter Beitrag zum Agentur-Einkommen.

Diese kreativen Goodies sind zum Beispiel soziale Projekte. Bei uns ist das Plant for the Planet.

Solche Projekte sind sinnvoll und können, wenn man einen guten Job macht, später auch für die Agentur eine gewisse Wichtigkeit haben (Awards, Reputation, etc.).

Aber natürlich haben für viele Agenturmanager die Jobs erste Priorität, die den wirtschaftlichen Betrieb der Agentur sichern – besser noch – ausbauen helfen.

So steht man als Chef immer mehr vor der Frage, wer sich wann was ausdenkt. 
Und wie lange er dafür benötigen sollte.

Wie lange benötigt man denn für eine geniale Idee?

Sind es nicht gerade die Extrarunden und -stunden, die plötzlich den entscheidenden Durchbruch bringen können?

Die Gedanken, die man hat, wenn man in ein Thema mal so richtig vertiefen und verlieren kann?

Der Ehrgeiz, eine Lösung, die alle „ganz gut“ finden, noch mal zu hinterfragen, um vielleicht doch die noch viel bessere Lösung zu finden?

Wie viel Zeit räumt man seinen Kreativen da heute noch ein? Und wenn man ihnen die nötige Zeit einräumt, nutzen sie diese dann auch wirklich konzentriert für besagtes Ziel?

Was ich unterschreibe: Bei aller Suche nach Effizienz darf man die kreative Freiheit und den Zeitbedarf niemals abtöten.

Aber man sollte von einem guten Kreativen auch eine gesunde Jobeinschätzung erwarten können. Die Frage, ob das, was man da gerade tut, wirklich im Dienst der Sache ist, darf man sich ruhig mal häufiger stellen.

Auch sollte das Arbeiten auf Goldideen immer in Relation zu der Arbeit stehen, die diese Goldideen erst möglich macht: die Alltagsarbeit.

Und die sollte nicht zu einem lästigen Übel verkommen.

Auf echten Briefings Goldideen zu entwickeln – das ist immer noch die aller härteste Währung für eine kreative Karriere. Und für den Agenturerfolg.

Ein Kreativer, der sich nicht ernsthaft und leidenschaftlich mit echten Briefings auseinandersetzt, wird sich diese Währung nie verdienen können.

Er wird irgendwann als ewiges Goldtalent verkümmern.

Zu viele Menschen verbringen zu viel Zeit unten links. Gefolgt von oben links.

Was übrigens auch für das Privatleben gilt (einfach den Begriff "Agentur-Relevanz" im Schaubild gegen "persönliche Relevanz" tauschen).

Freitag, 23. März 2012

Die "Soziale Mappe". Und ihre Kehrseite.

Das digitale Zeitalter hat viele alt eingesessenen Mechanismen revolutioniert.

Die Art, wie wir miteinander kommunizieren. Die Art, wie wir einkaufen. Die Art, wie wir einen neuen Partner finden.

So wundert es nicht, dass sich auch die Art, wie Kreative ihre Arbeiten präsentieren, eine ganz andere ist als vor 10 Jahren.

Die gute alte Pappentasche ist tot. Und auch das Laptop kommt aus der Mode. M
ehr und mehr Kreative gehen auf Facebook, Flickr und vor allem auf Blogs über. Ganz neu: Pinterest.

Wenn eine Agentur sich für einen Kreativen interessiert, bekommt sie einfach nur noch einen Link "nach Portfolio".

Das ist ziemlich praktisch, denn der Kreative muss die Daten vom Computer einfach nur noch hochladen. 

Nix mehr ausdrucken. Nix mehr ausschneiden. Nix mehr aufziehen. Nix mehr das alles heimlich nachts tun, wenn der Chef aus dem Haus ist.

Einmal das Dokument rüberziehen. Fertig ist die top aktualisierte Mappe.

Dagegen ist eigentlich überhaupt nichts einzuwenden.


Doch leider übersehen viele Kreative, dass sie damit schnell mal gegen Verträge verstoßen. Denn zwischen einer Pappentasche und einer „Sozialen Mappe“ im Web gibt es einen entscheidenden Unterscheid:

die Öffentlichkeit.

Früher war es kein Problem, wenn man ein Motiv, dass der Kunde nicht freigegeben hat, in seine Mappe geklebt hat, um es bei Bewerbungsgesprächen als ein weiteres Beispiel seiner kreativen Potenz zu präsentieren. 
So ein Gespräch fand ja meistens auch nur unter 4 bis 8 Augen statt.

Heute können viel mehr "Freunde" diese Motive sehen.


Manchmal leider zu viele. Oder auch noch die falschen. 
Und schwupps stehst du als Agentur auf dem Titel von Tageszeitungen. Und was noch schlimmer ist: du stehst am Pranger.

Mangelnde Sorgfaltspflicht.

Es ist für uns eine große Herausforderung geworden, unseren Mitarbeitern klar zu machen, dass Motive, die nicht frei gegeben sind oder Ideen, die nicht akzeptiert wurden, in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben. Auch nicht in der digitalen.

Natürlich steht dies in jedem Arbeitsvertrag (z.B. unter Geheimhaltung). Und natürlich redet man seinen Leuten immer mal wieder ins Gewissen, davon bitte Abstand zu nehmen.

Doch es herrscht zu diesem Thema immer noch wenig Unrechtsbewusstsein.

„Wieso, ist doch lustig. Ich habe das Motiv ja auch bloß zum Spaß auf meinem Facebook-Account hochgeladen. Ist sowieso nur privat“.

Ist es nicht.

Der Freund leitet es an seine Freunde weiter, die es dann an ihre Freunde weiterleiten. 
Ihr kennt den Schneeball.

Auch der ein oder andere Freelancer ist da in einer emotionalen Zwickmühle.

Freelancer sind Menschen, die häufig auf Neugeschäften oder wichtigen Präsentationen mitarbeiten. 
Also sehr häufig auch das bittere Los ziehen, tolle Ideen am Band zu entwickeln, die nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken werden.

Was machen diese Menschen, um ihre kreative Leistungsfähigkeit up-to-date zu halten?

Sie richten sich Webseiten oder Blogs ein – und zeigen dort ihre „Entwürfe“.

Arbeiten vielleicht, von denen die Kunden und Agenturen, für die sie diese "Entwürfe" gemacht haben, nicht wollen, dass sie das Licht der Öffentlichkeit erblicken.


Wir alle leben von unseren Ideen. Und davon, das andere sehen, dass wir gute Ideen haben.

Aber wir müssen – verdammt noch mal – auch damit leben, dass Ideen, die Kunden aus irgendwelchen Gründen nicht akzeptieren, im Verborgenen bleiben. Und ganz speziell dann, wenn diese Ideen auch ungefragt entwickelt wurden (Goldideen).

Vermeidet also, Arbeiten in sozialen Medien zu veröffentlichen, die nicht ausdrücklich freigegeben sind. Oder versichert euch bei den jeweiligen Agenturchefs rück, ob ihr veröffentlichen dürft.

So eine unbedachte Tofu-Geschichte kann andere Menschen nicht nur Ihren Job kosten, sondern manchmal sogar eine ganze Agentur bedrohen.


Das ist die ganze Sache nicht wert. Erst recht nicht, wenn es dazu eine ziemliche peinlich Headline-Provokation ist.


Das uralte Tofu-Motiv aus dem Jahr 2009
– jetzt wieder irgendwo im Web aufgepoppt –
war der Hamburger MoPo nicht nur einen
Online-Artikel, sondern sogar einen Titel wert
(was nicht wirklich für das Blatt spricht).



Der Artikel zeigt, dass ein unbedachtes "Hochladen"
kreativer Entwürfe zu einem Shitstorm führen kann,
der nicht mehr nur im Netz stattfindet.








































Donnerstag, 8. März 2012

Das rote Telefon.

Man sieht sie förmlich vor sich. Die Protagonisten eines Filmes, der im Kalten Krieg spielt, in der Eiszeit zwischen den Supermächten Russland und USA, zwischen 1960 und 1980.

Man sieht den grobschlächtigen russischen Armeegeneral (Typ Gottfried John). Und den amerikanischen Cowboy (Typ Ronald Reagan).

Mehrere Telefone stehen auf ihrem riesigen Schreibtisch. Nur eines davon ist rot.

Der Zuschauer weiß, wenn einer der Präsidenten zu diesem Telefon greift, und den Befehl zum Abschuss gibt, dann setzt er einen unwiederkehrbaren Prozess in Gang.

Der Befehl durchs rote Telefon wird das Schicksal zahlreicher Menschen nachhaltig verändern. In einigen Ländern wird nichts ist mehr so, wie es vorher mal war. Bei den jeweiligen Armeen sowieso.

So ungefähr dürfen sich Blue Chip Kunden (die Supermächte) die Wirkung ihres Anrufes bei Agenturen (den Armeen) vorstellen, wenn Sie die Einladung zu einem Pitch aussprechen.

Ein Heer von Leuten wird in den Agenturen rekrutiert. Freelancer werden hinzugerufen. Mit durchaus fatalen Konsequenzen:

Eltern erkennen ihren Sohn oder ihre Tochter nicht mehr, weil sie plötzlich Augenringe haben (ist bei mir etwas anders, ich hab sie immer). Lebensbeziehungen werden auf Eis gelegt oder scheitern gar daran, Freizeitbeschäftigungen treten zurück, Urlaube werden abgesagt. 

Kurz: Wochenenden und Feierabende werden zu Arbeitszeit.

All das mündet schließlich in einer Explosion, die Präsentation heisst. Beziehungsweise in zwei oder drei Explosionen, wenn vorher noch Schulterblick und/oder erste Ausschluss-Runde geplant sind.

Vom finanziellen Aufwand, den eine Agentur tätigt, um an das große Geschäft zu kommen, mal ganz abgesehen (wer es noch nicht weiß, j
e nach Marke und Etatvolumen kommt da gerne mal ein 6-stelliger Betrag zusammen).

Liebe Kunden, ist euch das eigentlich noch bewusst?

Ich habe häufig das mulmige Gefühl — weil mit der Energiequelle Kreation derart verschwenderisch umgegangen wird – dass die neue Generation Brand- oder Marketingmanager keine Kenntnis davon hat.

Natürlich, unter dem Strich kann es einem Kunden egal sein, wie eine Agentur ihr Geschäft erledigt. Auch das eines Pitches.

Wenn die Rahmenbedingungen fair sind (z.B. es steht nicht schon vorher fest, wer den Etat eigentlich bekommen soll. Oder der Oberentscheider weiß gar nix von einem Pitch und ist an einer Veränderung der Kommunikation gar nicht interessiert. Oder der Pitch dient einzig dazu, die bestehende Agentur unter Druck zu setzen, damit sie in ihren Preisen noch mal runter geht), dann ist das eine Situation, mit der Agenturen und ihre leidenschaftlichen Leute umgehen können.

Schön auch, wenn nach dem Pitch die Entscheidung nicht 6 Monate dauert, sondern maximal 4 Wochen.

Aber: 

Wenn jemand seinen Urlaub wegen eines Pitches absagt, oder das lang geplante Candle-Light-Dinner mit seinem Lebenspartner permanent aufschiebt bis er keinen mehr hat, dann sind Pitchenstcheidungen wie „Der Kunde hat sich überlegt, dass er eigentlich nix verändern möchte“ oder „die arbeiten jetzt mit der Agentur XY, weil sich der Agenturchef und der CEO vom Segeln kennen“ wirklich vernichtend.

Auch das könnte einem Kunden herzlich egal sein, wenn da nicht der Domino-Effekt wäre:

Irgendwann haben die Heerscharen von mehrfach missbrauchten Kreativen keine Lust mehr.

Diesbezügliche Tendenzen sind schon deutlich zu erkennen.

Was wiederum zur Folge hätte, dass es nur noch Ideen nach Vorschrift gäbe.

Also keine bahnbrechenden Ideen.

Das kann nicht im Interesse aller Beteiligten sein.
























Es sei angemerkt, dass das rote Telefon in seiner eigentlichen Form (oben das erste seiner Art von Jimmy Carter) nicht der Zerstörung, sondern dem friedlichen Prozess dienen sollte. Es war als Konsequenz aus der Kubakrise der direkte Draht zwischen US-Präsidenten und russischem Ministerpräsidenten.

Es wurde aber in den ersten Jahren so gut wie nie benutzt.

Ehrliche Absichten brauchen eben länger. Dafür bringen Sie mehr.