Freitag, 28. September 2012

Welches Jahr haben wir?

Kommt da etwa endlich was in Gang? Immer mehr Agenturschwergewichte sehen die dringende Notwendigkeit, dem Diktat der Award-Industrie zu entkommen.

Jetzt auch Deutschlands oberster Goldjäger.

Sein Modell heisst: nur noch in den Jahren mit gerader Zahl Arbeiten zu den Award Konkurrenzen einschicken. Und die gesparten Millionen in eine Nachwuchsakademie stecken.

Das ist lobenswert. Und entspricht dem pressewirksamen Naturell der Agentur.

Aber es bekämpft den eigentlichen Auslöser des Übels nicht.

Dabei ist dieser Auslöser längst erkannt: die Rankings der Fachpresse – und besonders das des Manager Magazines.

Es würde den Goldwahnsinn extrem eindämmen, wenn sich die deutschen Agenturen auf ein paar wenige Wettbewerbe einigen.

Wettbewerbe, die es zumindest auch in ihren Beurteilungskriterien strenger nehmen mit den Fakes (auch wenn das nicht immer klappt).

Meine Favoriten:

National: ADC.
International: Cannes. One Show. D+AD. 

Fertig.

Kreative predigen immer Vereinfachung. Das ist Vereinfachung bei den Awards.

Wettbewerbe wie BoB, Lead-Awards, Radiostars, DMMA Online Star und natürlich der Effie haben dabei immer noch ihre Berechtigung, würden aber in meinem Ranking nicht auftauchen – weil es Spezialdisziplinen sind. Und genau so sollte man sie auch kommunizieren.

Einige Versuche, die Agenturen zusammen zu schliessen und die Reduzierung der Wettbewerbe durchzusetzen, sind in den vergangenen Jahren leider kläglich gescheitert.

Vielleicht wäre jetzt ein neuer und richtiger Zeitpunkt, denn die Zunahme der Geld- und Reputations-Vernichtung wird schwer erträglich.

Den größten Hebel, ein Umdenken einzuleiten, haben allerdings nicht die Agenturen.

Sondern die Fachpresse.

Sie könnten die 4 bis 8 führenden Wettbewerbe bestimmen. Und das Ranking danach ausrichten.

Doch die Presse macht da nicht mit.

Weil sie von der Flut der Wettbewerbe profitiert (die sind ein dankbarer Themen- und Anzeigengenerator).

Und weil sie selbst einige Medien-Kooperationen mit einzelnen Wettbewerben hat.

Wettbewerb muss sein. Wettbewerb fördert bessere Leistung. Wettbewerb entdeckt Talente. Doch Wettbewerb nur alle zwei Jahre wirkt unentschlossen. Das zitierte Beispiel Olympia oder Weltmeisterschaft hinkt ebenfalls (alle vier Jahre).

Denn wir reden hier über unsere Bundesliga. Und die findet jedes Jahr statt. 

Wenn sich die einschlägigen Agenturen endlich endlich endlich einer Wettbewerbskonzentration verschreiben würden, dann wäre das für alle die beste Lösung.

Für Agenturen, für den Nachwuchs, für die Kunden.

Nur die Award-Industrie hätte ein Problem.

Damit könnte ich leben.

Sonntag, 23. September 2012

Auf Augenhöhe kommen.

Jenny aus Stuttgart schrieb gestern einen Kommentar unter meinen letzten Beitrag (Satt?). Er lautete: "haaallo, irgendjemand zuhause? vermisse einen neuen blogeintrag! :( "

Entschuldigung also erst mal, dass ich mit meinem Beiträgen in den letzten Monaten spärlich umgegangen bin.

Zwei Gründe: 

Der Blog feierte am 1. September sein vierjähriges Jubiläum. Kein Grund, ein Feuerwerk abzufackeln. Aber immerhin hat dieses Projekt viel länger Bestand als ich es mir je vorzustellen wagte. Herzlichen Dank für eure Gewogenheit. Ein echter Motor für mich, ins fünfte Jahr zu gehen.

Das langjährige Bestehen des Blogs und bis dato 404 Beiträge bringen es mit sich, dass ich nicht mehr so viele Themen finde, die die Buchstaben auf dem Screen lohnen. Als Texter bin ich naturgemäß kritisch mit meinen Inhalten.

Der zweite Grund ist Zeit. Die Agentur brummt und da fehlt mir etwas die Muße, über eben jene Themen zu reflektieren, die ihre Tastatureinschläge lohnen.

Heute ist es aber wieder soweit. Insofern danke Jenny – für deinen sanften Tritt in meinen Blogarsch.

Bewegt haben mich in den letzten Wochen die bekannten Lautsprecher unserer Zunft. 

Klappern gehört zum Handwerk, deshalb habe ich grundsätzlich nichts dagegen und empfinde einen gewissen Respekt für Personen, die sich trauen, öffentlich so richtig vom Leder zu ziehen.

Doch ist es immer wieder faszinierend zu sehen, wie sie Wasser predigen und selbst weiterhin kontinuierlich nur Wein produzieren. Manchmal ist der Fusel sogar noch dünner.

Klar, dass sich Agenturen und Kreative in diesen Zeiten neu orientieren müssen. Weg vom Gimmickideenlieferant (= Goldideenlieferant), hin zum ernsthaften Inspirator für große und wirksame Kommunikationslösungen.

Aber Produkte erfinden, das müssen Agenturen nicht, um in Zukunft zu bestehen.

Ich "kann Kommunikation“ (oder besser gesagt, ich bemühe mich).

Aber ich kann nicht „Lebensmittel“, „Auto“, „Hundefutter“ oder sonst was.

Ich will es auch nicht können.

Ich will Kunden leidenschaftlich gerne dabei helfen, schon bei der Entwicklung von neuen Produkten mit Kommunikation die richtigen Gene für eine erfolgreiche Marke zu legen.

Allein der falsche Name oder eine mittelmäßige Verpackung können später viel Geld kosten und dafür sorgen, dass das Projekt gar nicht so weit kommt, wie es von seiner reinen Produktleistung vielleicht hätte kommen können.

Als Kreativer, der viele Unternehmen, Produkte wie auch Neueinführungen und Flops kennenlernen durfte, hat man ein sehr gutes Gespür dafür, ob eine Produktidee sehr gute, gute oder nur mittelmäßige Gene hat. Und was man in der Kommunikation und im Marketing tun kann, dass die mittelmäßigen oder guten Gene zu sehr guten Genen werden.

So ein Projekt mit glücklichen Genen ist followfish.

Wir wollten 2007 eine Bewegung starten, um Menschen in Zeiten von Überfischung wieder Lust auf Fisch zu machen. Mit einem durch und durch nachhaltigen wie transparenten Fischangebot. 

Und die Bewegung nimmt 2012 tatsächlich ihre nächste Kommunikationsstufe (siehe unten).

Wir haben vom Start an die Idee geglaubt. Wir haben Durchhaltevermögen bewiesen. Wir dürfen jetzt das Wachsen dieser Idee begleiten. Und können den Erfolg manchmal selbst kaum glauben.

Wir - das heisst ganz ausdrücklich Kunde und Agentur. Denn eines der größten Erfolgsrezepte von starken Ideen ist, dass Kunde und Agentur auf Augenhöhe agieren und sich als gleichberechtigte Partner sehen.

Das wurde mir mal wieder überdeutlich, als wir vor ein paar Monaten eine dieser typischen Agenturpräsentationen bestritten haben. Sogenannte Credential Meetings, bei denen sich die Agentur prospektiven Kunden mit ihrer Philosophie, ihren Tools und ihren Arbeiten vorstellt.

Der betreffende Kunde hatte diesen gelangweilten „kenn ich eine, kenn ich alle Agenturen“-Blick und ließ unsere Vorstellung höflich über sich ergehen. Ein weiterer dieser Ideenlieferanten stellte sich ihm vor, so wie er es schon 100mal erlebt hat.

An dem Punkt, an dem er begriff, dass wir für followfish nicht nur die Kampagne, sondern die Marke mit erfunden hatten, änderte sich seine Haltung plötzlich.

Es wurde fortan ein Gespräch auf Augenhöhe.

Leider sorgen – besonders deutsche – Agenturen mit ihrem Goldideen-Fanatismus immer noch im großen Stil dafür, dass wir uns weit unterhalb besagter Höhe befinden.

Vergangene Woche durfte ich erst wieder in einer Anzeigen Jury drei (oder waren es vier?) verschiedene Kampagnen à 3 Doppelseiten-Motiven einer mittelständischen Marke bewerten. Einer Marke, deren Mediabudget schätzungsweise bei 1 bis 3 Milionen liegt. Einer Marke, deren Anzeigen ich das ganze Jahr nicht einmal irgendwo gesehen habe.

Wenn unsere Branchengrößen davon reden, dass wir beim Kunden wieder auf Augenhöhe kommen müssen, dann sollten wir vorher dafür sorgen, dass unser Wasserreservoir glaubhaft gefüllt ist.

Erst mal machen, dann laut sprechen.

Dann wird es auch was mit der Augenhöhe.