Donnerstag, 11. Juli 2013

Klassik ist tot. Es lebe Neo-Klassik.

Die Bezeichnung „klassische Agentur“ scheint zum Unwort der Branche verkommen zu sein. Besonders rein digitale oder Social-Media-Agenturen erklären klassische Agenturen gerne zum Auslaufmodell.

Was ist eine klassische Agentur? Ein Ideenlieferant für nicht digitale Medien?

Das war vielleicht so, als es das Internet noch nicht gab.
Aber als die digitale Kommunikation ein Markt für Agenturen wurde, haben sich natürlich auch sogenannte klassische Agenturen mehr oder weniger erfolgreich damit beschäftigt. Und den Markt bedient.

Sie tun es noch. Und immer mehr.

Eine Agentur wie unsere, wenn man sie als klassische Agentur betrachten mag, sieht ihre Stärken in Markenberatung, Strategie und in der Umsetzung von beidem zu crossmedialen Kommunikationslösungen. Also offline und online. Analog und digital. Möglichst gut vernetzt. Mit hohem kreativen Anspruch.

Unser Ur-Ziel hat sich aber durch die Digitalisierung nicht verändert: Mehr Wirkung durch Kreativität, damit unsere Kunden weniger Mittel für ihre Marke einsetzen müssen, um ihre Ziele zu erreichen.

Die These, dass klassische Agenturen ihre Daseinsberechtigung verspielt haben, kommt gerne von Marktteilnehmern, die denken, dass ihre Nischen-Expertise die Zukunft ist. 

Früher waren das die Direktagenturen. Dann kamen die reinen Digitalagenturen. Jetzt sind das scheinbar die SM-Agenturen.

Unbestritten ist immer noch, dass die Zukunft einer Branche das Angebot ist, welches der Markt fordert.

Unser Markt sind Marken und die Unternehmen dahinter.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die digitalen Möglichkeiten das Handeln von Marken und Unternehmen heute massiv beeinflussen. Zum Beispiel in Vertriebs- und Kommunikationsplattformen zu den Kunden. Sei es mit Webseiten, Apps, Social Media, CRM-Modellen oder mobilen Techniken.

Dennoch muss ich mich als Agentur fragen, was ich in Zukunft eigentlich verkaufen möchte: Vertriebslösungen oder Kommunikationslösungen?

Natürlich sorgt die Digitalisierung dafür, dass sich auch diese beiden Bereiche immer häufiger überschneiden. 

Doch unsere (von mir aus klassische) Stärke ist, die Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte der Zielgruppen zu ergründen und entsprechend zu bedienen. Wir können Konsumenten für Marken oder Botschaften interessieren, die sie nicht auf dem Zettel haben.

Wir schaffen emotionale Präferenzen gegenüber anderen Markteilnehmern. 

Ich glaube sogar, dass die klassischen Werbemittel ein Revival erleben werden.

Die Ablehnung gegen die professionelle Online-Ausspähung mit all ihren technischen Möglichkeiten schafft nicht nur viele neue Chancen, mit dem Konsumenten zu kommunizieren und Geschäft mit ihm zu machen.

Sie schafft auch emotionale Widerstände. 

Je weniger ich mich diesen Werbemechanismen im Netz entziehen kann, desto größer werden emotionale Aversionen.

Vielleicht kommen wir schon bald an den Punkt, wo ein Plakat wieder als wohltuend zurücknehmende Form der Werbung empfunden wird, weil wir einfach nur wegsehen müssen, wenn es uns nicht interessiert. 

Wegklicken oder einen (von den Anbietern leicht gemachten) Fehlklick wieder rückgängig machen, das ist weitaus nerviger.

Vor diesem Hintergrund ist die Allianz, die Leagas Delaney und Booz Digital eingehen, sicher ein vielversprechender Schritt. 

Hier ergänzen sich Spezialisten. 

Die einen kommen mehr von der rationalen und kennzahlenorientierten Seite, die anderen von der emotionalen und kreativen.

Deshalb mag ich den Begriff Neo-Klassik. 

Er subsummiert für mich die ganzheitliche Markendenke mit den Erfordernissen der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten.

Am Ende entscheidet der Markt, welcher Agenturtyp erfolgreich ist oder verschwindet.

Bei aller Theorie ist es immer und immer wieder die Idee, die den Unterschied machen wird. 


Ganz egal, wie dein Agenturtyp genannt wird. Wir werden an Ideen gemessen.

Und das ist auch gut so.

Freitag, 5. Juli 2013

Bin ich in der Agentur kreativer?



In Zeiten der Work-Life-Balance (mancher hat ja sogar schon ein Upgrade auf Work-Life-Happiness vorgenommen) sieht sich ein Chef immer wieder mit Arbeitsmodellen konfrontiert, die ausserhalb der Agentur stattfinden können, um die Attraktivität seiner Agentur für Mitarbeiter zu erhöhen.

Er muss sich die Frage stellen, ob es für viele Mitarbeiter interessanter ist, zu Hause zu arbeiten. Und ob ein Kreativer dort vielleicht bessere Ideen hat als in der Agentur.

In der Juni-Ausgabe des amerikanischen Tech-Geek-Magazines „Wired“ ist dazu unter der Überschrift "How we work"  ein interessanter Beitrag von Clive Thompson zu finden.

Anlass war die Entscheidung der Yahoo-Chefin Marissa Mayer vor einigen Wochen, die Heimarbeit zu beenden und alle Mitarbeiter wieder in die Firma zu beordern: „Geschwindigkeit und Qualität werden häufig geopfert, wenn wir von zu Hause aus arbeiten. Wir müssen wieder ein Yahoo! sein, und das beginnt schon damit, dass wir physisch zusammen sind“.

Ein Aufschrei ging durch die digitale (Arbeits)-Welt. Sie erntete sehr viel Hohn und Spott. 

Ich persönlich spürte einen natürlichen Verteidigungsreflex, denn ich frage mich schon seit langer Zeit, wie wir das Ergebnis kreativer Heimarbeit messen und bewerten können? Oder gar mehr und bessere Leistungen dadurch erzielen?

Der Artikel hilft bei der Meinungsbildung mit wissenschaftlichen Untersuchungen, die zu diesem Thema durchgeführt wurden. Hier ein paar Erkenntnisse:

Innovative und kreative Gedanken und Ideen entstehen meistens in lockeren Gesprächen oder Diskussionen, in spontanen Begegnungen, wenn unterschiedliche Spezialisten oder Fachgebiete aufeinandertreffen. Und ja, auch meine eigene langjährige Erfahrung zeigt mir, dass ich zu Hause oder beim Joggen immer wieder einen genialen Einfall habe, aber erst im Austausch mit anderen, mit dem Team, wird eine tragfähige, durchsetzungsstarke und visuell ansprechende Idee daraus.

Monotone Tätigkeiten dagegen, wie das Programmieren von Codes, bei denen sich auch der Zeitaufwand und das Produktionsergebnis relativ genau bemessen lassen, können durchaus sehr gut zu Hause erledigt werden.

Viele Programmierer arbeiten gerne nachts, sagen wir beispielsweise von 22 bis 4 Uhr morgens. Da macht es durchaus Sinn, sich nur aus bzw. ins Bett zu wälzen oder gleich neben der Kiste zu Hause zu schlafen. Und sicher
 gibt es auch in Agenturen stupide „kreative“ Tätigkeiten (z.B. Rendern), die man eigentlich auch von zu Hause aus machen kann.

Doch selbst Super-Programmierer aus dem Silicon Valley wollten irgendwann nicht mehr zu Hause arbeiten (lt. Wired-Beitrag), weil sich in der Firma und in einer Gruppe von Gleichgesinnten viel schneller kleine und große Probleme gegenseitig lösen und lästige Fragen in einem Satz beantworten lassen.

Nun könnte man natürlich darüber nachdenken, einen Weg zu finden, mit dem gewisse Arbeiten zu Hause und gewisse Arbeiten in der Agentur erledigt werden.

Doch dazu braucht man dann wieder Mitarbeiter, die genau das koordinieren. Ein Aufwand, den viele Agenturen ja schon in der Agentur kaum bewältigt bekommen (Stichwort Effizienz). Und der auch vom Kunden nicht bezahlt wird. Deshalb müsste das Modell schon so attraktiv sein, dass sich bessere Mitarbeiter für weniger Geld für die Agentur entscheiden, die das anbietet.

Gibt es solche Leute? 

Ich denke auch, dass wir gerade im kreativen Bereich den Wettbewerb brauchen, den es in einer Agentur gibt – und zu Hause nicht. Gute Ideen und Gedanken von anderen Teams haben mich immer schon angestachelt oder motiviert, noch mal nachzulegen.

Der Druck, etwas liefern zu müssen, ist in der Agentur gleichwohl höher. Ich war und bin unter Druck kreativer als ohne.

Wie man es dreht und wendet, eines steht fest: in Agenturen gibt es immer einen, mit dem man mal reden und rum spinnen kann. Und sei es nur beim Rauchen vor der Tür.