Dienstag, 15. Oktober 2013

Glaubwürdigkeit kommt nicht auf Bestellung.

Meine Mutter bekommt regelmäßig von ihrer Versicherung einen Verrechnungsscheck per Post. Weil sie eine betagte Dame und nicht mehr so gut zu Fuß ist, bringe ich jedes Mal den Scheck für sie zur Bank. Was meine Geduld strapaziert. Weil gefühltes Mittelalter.

Also setzte ich mich vor ein paar Monaten hin und schrieb der Versicherung eine E-Mail mit der Bitte um direkte Überweisung auf das Konto meiner Mutter.

Versichern heisst verstehen. Die Schecks kamen weiter per Post. 

Ich musste zwingendere Maßnahmen wählen: einen 
Anruf beim selbsternannten Kundenversteher.

Nach 2 Minuten gemafreiem Banalitäten-Hit hatte ich eine freundliche Dame als Gesprächspartner. Ich erklärte den Sachverhalt. Sie wollte wissen, ob ich bevollmächtigt sei, was ich bestätigte und was sie in ihrem Computer nach einigem Suchen auch bestätigt fand. Um mir dann mitzuteilen, dass sie nicht weiterhelfen könne. Die zuständige Person telefoniere gerade. Und schloß das Gespräch mit einer direkten Durchwahl zum Mitschreiben ab.

10 Minuten nicht weiter gekommen. 
Versichern heisst verstehen. Na gut.

Erneute 10 Minuten später. Besetzt. 
15 Minuten später. Besetzt. 17 Minuten später. Besetzt.
18. Minute: Endlich den zuständigen Sachbearbeiter am Rohr.

Er hört sich die Geschichte 
ebenso geduldig an und meint, dass ich die soeben ausgeführte Anfrage bitte schriftlich stellen solle. Ich frage ihn nach seiner E-Mail Adresse. Er erwidert, dass er ein Fax benötigt.

Versichern heißt verstehen: wo komme ich nur an ein Fax?

30 Minuten schmallippige Kundenbetreuung und 
3 Jahre vollmundige Kampagne bringen mich zu dem Ergebnis: dieses Unternehmen versichert, aber dieses Unternehmen versteht nicht.

Vielleicht hat dieses Unternehmen deshalb vor ein paar Wochen einen Pitch ausgerufen. Um sich erneut neu zu positionieren. Erscheint mir plötzlich mehr als sinnvoll.

Unternehmen verspüren in erfolgloseren oder komplizierten Phasen ihrer Existenz den durchaus nachvollziehbaren Wunsch, sich neu zu positionieren. Nicht selten, wenn ein frisches Management am Ruder ist.

Agenturen werden auf eine neue Vision gebrieft. Und entwickeln einen vielversprechenden Kommunikationsauftritt. 
Kunden gefällt dieser neue Auftritt. Weil ihre Vision in kürzester Zeit sichtbar wird. Auch der ernst gemeinte Hinweis am Ende der Präsentation, dass dieser Anspruch von der Organisation gelebt werden muss, wird wissend nickend zur Kenntnis genommen.

In der Euphorie des Neuen wird aber gerne vergessen, dass diese visionären Versprechen ab der ersten öffentlichen Erscheinung gehalten werden müssen. Jeden Tag. Von jedem Mitarbeiter. Und das es verdammt harte Arbeit für Produktentwicklung, Vertrieb und Service bedeuten kann, da hin zu kommen.

Je größer die "Klappe", desto wichtiger das "liefern".

Kommunikation, die eine neue Positionierung vorgibt, kann durchaus nach innen wirken und einen Apparat mitziehen, der etwas träge erscheint. 
Doch wenn der Apparat überfordert wird, passiert das Gegenteil. Noch größere Lähmung. Und Trotz.

Im digitalen Zeitalter gehen Botschaften in Sekundenschnelle um die Welt. Gute wie schlechte. Gerade falsche Markenversprechen sind ein Content, der für die vielen penibel danach suchenden Shitposter der schönste King ist.

Wenn eine Marke nicht glaubwürdig für das stehen kann, was sie verspricht, sollte sie weniger versprechen. Und es halten. Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Scharnier zwischen Botschaft und Marke. 

Unrealistische Ziele haben noch nie zum Ziel geführt. Und Glaubwürdigkeit gibt es nicht auf Bestellung. Entweder man hat sie schon. Oder man muss einiges tun, um sie zu erlangen.

Eine(r), die/der HörZu zu Hause hat. 

Zu Hause liegen vielleicht (dank Freieinweisung). Aber zu Hause lesen? 

Auch eher Witz statt Wahrheit.


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