Montag, 7. Oktober 2013

Wer kontrolliert eigentlich Einkäufer?

Folgender Beitrag erschien heute bei Horizont:

Kreative dürfen naive Fragen stellen. Das gehört zu unserem Job. Wie inzwischen auch diese eigenartige Spezies Mensch zu unserem Job gehört, die kreative Leistung wie Schrauben einkauft. Und alles immer noch günstiger von uns haben will.

Das bringt mich manchmal um den Schlaf. Doch was noch schlimmer ist, es bringt Kunden um bessere Kommunikation, ohne dass sie es so recht erkennen.

Ein Beispiel. Wir haben einen Film für ein Produkt des Unternehmens X konzipiert. Das Marketing von X findet ihn klasse. Kurze Zeit darauf meldet sich der zuständige Einkäufer von X mit einem dieser endlosen wie rechtlich korrekten e-Mails, die unterm Strich sagen: drei Angebote, aber dalli.

Dalli ist bei einem komplexen Film gar nicht so einfach. Aber schließlich kriegt er (und das Marketing) drei Regisseure, drei Regierollen, drei KVAs, drei Moodboards. Sowie jede Menge Leidenschaft und Vorfreude zum Wohle der Idee.

Der Film arbeitete mit mehreren Darstellern. Also entstehen Buyouts. Der Kunde will sie weltweit und zeitlich unbegrenzt für alle Medien. Der Kenner weiß, auch das hat seinen Preis. Der Einkäufer hat ein angeborenes Misstrauen gegen Kenner und vorsorglich schon eigene Produktionen aus dem Ärmel gezogen. Alle natürlich viel günstiger als unser günstigstes Angebot. 

Was für ein Tausendsassa. Mit den Zahlen auf der Karte seiner Asse konfrontiert, brechen wir in Tränen aus. Wir beerdigen die einst gute Idee. Der Einkäufer reichte uns gerade die Sargnägel (keine Frage, günstigstes Modell). 

Sofort tauchen sie auf, die geschliffenen Marketing-Weisheiten, die unser Verständnis suchen. Zur Natur von Marktwirtschaft gehöre es nun mal, dass das beste Preis-Leistungsverhältnis gewinnt (äh, könnten wir die Leistung der uns unbekannten Produktion vielleicht mal diskutieren?).

Und überhaupt, durch die Corporate Compliance Brille sehen es viele Unternehmen nicht so gerne, wenn Agenturen mit Produktionen zusammen arbeiten, die ihnen gut bekannt sind (äh, könnte es nicht sein, dass gerade dieses Vertrauen bessere Ergebnisse erzeugt? Ergebnisse, wegen derer wir einst mal verpflichtet wurden?). 

Welcher Experte macht sich eigentlich Gedanken darüber, was ein Unternehmen draufzahlt, wenn es bei der Produktion 100.000 Euro spart, dafür später aber für mehrere Millionen Euro gequirltes Mittelmaß in die Welt sendet? 

Keine Ah's, keine Oh's, keine Likes, keine Shares, keine Klicks, keine Views. Noch nicht mal einen Shitstorm. 

Kommt dann irgendjemand auf die Idee, dass mehr Produktionsbudget sehr viel mehr gebracht hätte Macht irgendeiner im Unternehmen dem Einkäufer dafür die Hölle heiß? Ruft irgendjemand einen Pitch um die Neubesetzung des Procurements aus?

Da haben es Schrauben einfacher. Ihre schlechtere Qualität fällt sofort bei Anwendung auf. Der Produktionsprozess gerät ins Stocken. Der CEO gerät in Rage. Und will wissen, warum plötzlich so billige Scheisse eingekauft wird.

Und wer dafür verantwortlich ist.

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