Montag, 28. Juli 2014

Länder Image als Businessmodell.

Der Gewinn der Fussball-Weltmeisterschaft wird Deutschlands Image rund um den Globus nachhaltig verbessern. Was viele Marketingexperten nach der WM zum Besten gegeben haben, scheint Quatsch.

Höchstens für ein paar Wochen wird der
 Titelgewinn Deutschland in seinem Ansehen etwas Aufschwung geben.

„Aber es wird wohl niemand so verrückt sein, das Image eines Landes von elf Männern abhängig zu machen“. Diesen Satz sagt der Engländer Simon Anholt, Markenexperte und weltweit führender Imageberater von Staaten, in einem Interview im stern letzter Woche (Ausgabe 31/2014).

Das ganze Interview findet ihr unten.

Simon Anholt? Irgendwie kam mir dieser Name beim Lesen des Artikels bekannt vor. 

Klar, Simon Anholt!  Der Mann saß vor gefühlt 10 bis 15 Jahren mal bei mir im Agentur-Konferenzraum und pries mir seinen internationalen Kampagnen-Adaptionsservice World Writers wie Sauerbier an. Eine Agentur, die beim Ausrollen international angelegter Kampagnen kreativ unter die Arme greift (Adaptionen, Übersetzungen, nationale Eigenheiten checken, etc.).

Über seine Erfahrungen hat er ein Buch geschrieben (Another One Bites the Grass). Leicht vorstellbar, wie darin irrwitzige Bedeutungen verschiedener Wörter und Bilder (auch in Kombination) in anderen Sprachen und Kulturen
 zu amüsanten Anekdoten verwurstet wurden.

Sein spezielles Know How hat Simon Anholt sicher auf die Idee gebracht, sich zum Berater von „Staaten“ aufzumachen. Größere Budgets, noch mehr Leute ohne Marketingahnung.

Wer also ein Beispiel sucht, wie man aus einem Nischenwissen ein ganzes Business schafft, "Marketingexperte für Länder" ist so eins.

Was denkt ein Ägypter über Dänemark? Was denkt ein Japaner über Österreich?

Im ersten Moment könnte man meinen, dass das den Dänen und Österreichern doch eigentlich schnurzegal sein könnte. Aber vielen Staatsoberhäuptern ist es das genau nicht. Besonders denen nicht, die jüngst in die Regierung gewählt oder geputscht wurden – und jetzt etwas verändern müssen.

Simon Anholt hat zusammen mit GfK einen Nationen-Index aufgesetzt, um allen vom Image frustrierten Ländervertretern zu zeigen, wie hoch ihr Land im Kurs steht. Oder wie tief es gesunken ist.

Und schon hast du deinen Markt. Und Bedürfnisse. 

This is very clever, isn’t it? 

Wenn beispielsweise eine Regierung wie die in Brasilien die Hoffnung hegt, dass sie mit der Durchführung einer WM das Landes-Image aufpoliert (immerhin hat diese „Kampagne“ rund  11 Milliarden gekostet), dann kann das ganz schnell ein Rohrkrepierer werden. 

Denn genauso freudig wie viele Medien die Spiele zeigen, genauso gnadenlos präsentieren sie auch die Probleme des Gastgebers (z.B. schlechte soziale Zustände, hohe Diebstahlsquote, Drogenkriminalität, etc.). 

Da ist ein 1:7 für das Image fast schon spielend leicht zu verschmerzen.

Nur nebenbei bemerkt: Während Brasilien (bzw. seine Steuerzahler) mit einem hohen Verlust aus dem Projekt rausgehen, hat die Fifa laut WamS rund € 26 Milliarden Umsatz gemacht und geht mit einem Plus von rund € 4 Milliarden raus.

Russland sollte sich also noch mal sehr gut überlegen, ob sein Landesprodukt wirklich gut gerüstet ist für die Kampagne „Fussball-WM 2018 im eigenen Land“. Denn es dauert 20 Jahre, bis so ein staatlicher Imagewandel vollzogen ist. 

Und auch die ein oder andere Marke, die einen schnellen Imagewandel anstrebt, sollte Folgendes im Marketing-Handbuch notieren:

Das wichtigste Kriterium, nach dem Ländern von allen Menschen dieser Welt beurteilt werden, ist moralische Integrität. Das ist bei Marken nicht viel anders.

Genau dieser Aspekt ist es, der so viel Zeit in Anspruch nimmt, wenn man ihn erst mal herstellen muss. 

Moralische Integrität. Great to have, hard to get.