Sonntag, 30. November 2014

It's a People's Business.

Die vergangene Woche war geprägt vom vermeintlichen Pitch-Coup des Jahres. Nach einer groß angelegten Wettbewerbsrunde, organisiert durch eine Pitchberatung und unter Einbeziehung der Einkaufsabteilung, hat Mercedes seinen Etat nicht an eine der großen kreativen und international vernetzten Agenturen vergeben, sondern an zwei Einzelpersonen.

Zwei Leute, die aktuell nicht zusammen arbeiten und noch jeweils für andere Autokunden in Lohn und Brot stehen.

Die beiden Protagonisten sollen eine für Mercedes maßgeschneiderte 100 Mann Agentur in Berlin aus dem Boden stampfen. Bis Sommer 2015.

Das ist wirklich eine kuriose Entscheidung.

Die Fachpresse hat sich ausgiebig mit vielen Aspekten dieser Entwicklung beschäftigt. Fragen wurden gestellt wie "kommen die beiden überhaupt aus ihren Verträgen raus?“, „war das schon im Vorfeld eine ausgemachte Sache?“, „wurde der Pitch nur einberufen, um die Compliance Regeln des Unternehmens zu erfüllen?“, „sind zwei urklassische Werber die richtigen Leute für eine Agentur der Zukunft?“ und „wer hatte eigentlich die Idee zum Mercedes TV Spot Klassiker Ohrfeige?“. 

Bis auf die letzte wurden alle Fragen mit Spekulationen beantwortet. Eine Frage wurde nicht gestellt:

„Kann es nicht einfach sein, dass die Entscheider bei Mercedes während des Pitch-Prozesses gemerkt haben, dass sie sich mit den handelnden Personen auf Agenturseite einfach nicht richtig wohl fühlen?“.

Alle Agenturmanager kennen dieses Phänomen. 

Man erfährt bei einer Absage nach einer Credential- oder Pitch-Präsentation selten die Wahrheit.

Was man meistens hört: „Es tut uns leid, es war wirklich ganz knapp. Aber ein Wettbewerber war einen Hauch besser als Sie“.

Was gemeint ist: „Wir mochten Sie und Ihre Idee einfach nicht so gerne wie die Idee und die Leute einer anderen Agentur“. Oder: "Ihre Arroganz ging uns auf die Nerven". Oder: "Sie haben sich überhaupt nicht richtig mit unseren Problemen auseinander gesetzt". Oder: "Sie waren uns einfach unsympathisch".

Werbung und Kommunikation sind – wie kein anderes Geschäft – ein Business, bei dem es um eine sehr geschmäcklerische Ware geht. Während die einen deine Idee genial finden, beurteilen sie andere als katastrophal.

Der Glaube an eine Idee und(!) die handelnden Personen dahinter spielt die entscheidende Rolle bei einem Pitch.

Der zwischenmenschliche Aspekt, gerne Chemie genannt, muss stimmen. Kunden müssen den Leuten, die Idee präsentieren, vertrauen und sie sympathisch finden. Es geht schließlich darum, mehrere Jahre miteinander zusammen zu arbeiten. Je umfangreicher die Teams, die für das Projekt nötig sind, umso schwerer die Entscheidung.

Wenn sich während eines Pitch-Prozesses bei Kunden nicht das Gefühl einstellt, dass hier ein Team steht, dass nicht nur gute Ideen hat, sondern mit dem es auch Spaß machen wird, die kommenden  Aufgabe zu wuppen, dann ist es völlig legitim, sich eine andere Lösung zu suchen.

Weil das so ist, gibt es nach Personalwechseln bei Kunden oft auch ein Wechsel der Agentur. Zumindest aber wird sie hinterfragt.

Weil das so ist, gibt es häufiger Pitches und wir Agenturen haben die Chance, neue Etats zu gewinnen.

Wenn die Mercedes-Entscheider während des Prozesses gemerkt haben, dass sie sich mit den Aspiranten auf den Job nicht wohl fühlen, dann war es sogar vorausschauend, sich parallel Alternativen zu suchen, denen sie vertrauen.

Ob die beiden Protagonisten die Tortur der Einkaufsabteilung durchlaufen müssen, bleibt abzuwarten. 

Ob man darauf hätte früher kommen können, kann ich schlicht nicht beurteilen.

Es hätte sicher vielen Menschen in den beteiligten Agenturen sehr viel Arbeit und hohe Kosten erspart.

Und es hätte der Marke Mercedes in der Kommunikationsbranche nicht so einen Image-Verlust eingebracht. 

Denn als Agentur fühlt man sich nach so einem Prozess schon ziemlich verarscht.